Geschichte in Bildern des RSV Rotation GreizBilder vom RSV Rotation Greiz, der in Greiz auf eine lange Tradition zurückblicken kann:

Mit Lastkraftwagen

Doch die besten Voraussetzungen und Möglichkeiten nützen nichts, wenn nicht ein engagierter und ideenreicher Vorstand existiert, der die Fäden in der Hand hält. Greiz war in der glücklichen Lage, einen Rudi Gebhardt zu besitzen, der mit seiner ganzen Person hinter der Sache stand. Bereits 1931 gehörte er zu den rebellischen Jugendlichen, die einen eigenen Verein in der Jahnturnhalle gegründet hatten. Jetzt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges leitete er mit anderen verdienstvollen Funktionären den Wiederaufbau des Ringkampfsportes in Greiz. Der gelernte Dreher kam nach 1954 zur Kriminalpolizei in Greiz. Eine Rolle, die ihm zu Zeiten der tiefsten stalinistischen Diktatur überhaupt nicht lag. Als „roter Häscher“ eignete er sich wahrlich nicht, und wurde deshalb auch bald aus den Reihen der „Volkspolizei“ entfernt. Er arbeitete danach wieder als Dreher bei der Firma Singer, die unter anderem auch die Busse für die Auswärtskämpfe der Greizer Ringer stellte. Damit hier nicht falsche Vorstellungen über die Möglichkeiten der Greizer Ringer geweckt werden, sei bemerkt, dass die Mannschaft meist mit Lastkraftwagen zum Wettkampf fuhr, auf deren Ladeflächen die Ringer Stroh ausbreiteten, auf das sie sich legten. Noch zu Beginn der sechziger Jahre fuhr die Greizer Mannschaft mit einem solchen Fahrzeug mit hölzernem Aufbau, das von der Papierfabrik gestellt wurde. Einmal sorgten die Greizer für verdutzte Gesichter in Leuna, als sie zu einem Freundschaftskampf mit dem Krankenauto ankamen.
Doch zurück zu Rudi Gebhardt. Er gehörte zu den Ringern, die den Ringkampf von der Pieke auf gelernt hatten und in der Lage waren, alle nötigen Funktion auszufüllen. Er organisierte und initiierte den Neuaufbau 1945, war Trainer, Schiedsrichter, Chefmanager, Mannschaftsleiter und Pressewart. Dort, wo er gebraucht wurde, war er zur Stelle. Als in Zella-Mehlis ein Aktiver ausfiel und die Mannschaft umgestellt werden musste, zog er auch noch einmal das Ringertrikot an. Wurde eine DDR-Meisterschaft in Greiz ausgetragen, war er Leiter der Veranstaltung. Auf seine Initiative hin wurde die Ringer-Oberliga der DDR gegründet. Als internationaler Kampfrichter vertrat er die DDR bei Turnieren im Ausland. Als Angehöriger der Kriminalpolizei spionierte er eher die Aufstellungen der gegnerischen Mannschaft aus, als festzustellen, wer „staatsfeindliche“ Äußerungen gemacht hatte. So wurde gemunkelt, dass er immer Bescheid wusste, wer beim großen Gegner in Zella-Mehlis Gewicht gemacht hat und deshalb blieb Greiz zumeist Sieger gegen den übermächtigen Kontrahenten.

Doch das Verhängnis konnte auch er nicht aufhalten. Die Firma Singer hatte die Greizer Ringer zu einem der vielen Interzonenkämpfe gefahren, die damals noch von der SED gefördert wurden. Dabei hatte sich die Firma ein „Wirtschaftsverbrechen“ zu Schulden kommen lassen, man brachte aus dem Westen vier Reifen mit. Was sonst dem Firmeninhaber Singer vorgeworfen wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls bekam Rudi Gebhardt über seine Kollegen Wind von der bevorstehenden Verhaftung seines Chefs. Über Nacht verschwand Singer mit seinen Bussen und Lastkraftwagen über die grüne Grenze. Die Meinungen gehen auseinander, ob Gebhardt in der selben Nacht floh oder kurze Zeit später, als bekannt zu werden drohte, wer Singer gewarnt hatte und Stalins Gefängnis auf jenen wartete.
Wie so viele Thüringer mußte Rudi Gebhardt seine Heimat verlassen und sein Glück mittellos im Westen versuchen. Aber was muss in einem Mann vorgegangen sein, der nicht nur Freunde und Verwandte zurücklassen musste, sondern auch seine geliebte Greizer Ringermannschaft, für die er Jahrzehnte unermüdlich tätig gewesen ist.
Rudi Gebhardt war nie wieder in Greiz und lebt heute als 82jähriger zusammen mit seiner schwer behinderten Frau in einem Altenheim in Michelstadt im Odenwald. Zur Feier am 20. Februar 1992 „100 Jahre Kampfsport in Greiz“ und „60 Jahre Ringkampf in der Jahnturnhalle“ hat er aber bereits sein Kommen zugesagt.

Zentralisierung
Sportler brechen die Zonengrenzen – unter diesem Leitspruch traten die Greizer Ringer für die Freiheit der Menschen in Ostdeutschland ein

Einen anderen verdienten Funktionär erging es ähnlich, dem langjährigem Spartenleiter Walter Liesenfeld. Wie Gebhardt bestimmte Liesenfeld die Richtung im Greizer Ringkampfsport mit. Nach dem Ausscheiden von Gebhardt lagen die Hoffnungen auf Liesenfeld. Sein „sportliches Ende“ hatte wie man damals sagte „sportpolitische Gründe“. Zu Beginn der fünfziger Jahre beschloss die SED-hörige Sportführung der DDR, den Leistungssport nach sowjetischem Vorbild aufzubauen. In der jungen DDR wurden Sportvereinigungen gebildet, in die die gerade gegründeten Betriebssportgemeinschaften eingegliedert wurden. Wo ein Trägerbetrieb fehlte, legte die SED einen fest. Die Greizer Ringer kamen am 6. Juli 1949 zur BSG Vorwärts, wurden dann umbenannt in BSG Chemie (März 1951). Ab dem 20. September 1952 startete man dann unter dem Namen BSG Rotation Greiz, deren Hauptträger die Papierfabrik wurde.
Nun stand also die Zentralisierung auf dem Programm. Jede Sportvereinigung mußte einen zentralen Sportklub bilden. Die Sportvereinigung Rotation bestimmte als Ort für ihren Sportklub Rotation die Stadt Leipzig. Die besseren Ringer gab es zwar in Greiz, die Fußballer kamen aus Leipzig. Greiz hatte keine Möglichkeit, Sitz des Sportklubs Rotation zu werden. Die Bildung einer Sektion Schwerathletik im Sportklub Rotation war auch Hauptdiskussionspunkt der Jahreshauptversammlung am 15. Januar 1955.
Dem Greizer Ringeridol Kurt Hoffmann, der insgesamt neun Mal DDR-Meister wurde, gerade als „Meister des Sports“ ausgezeichnet, wurde die Trainerstelle in Leipzig angetragen. Unter Bezugnahme auf Alter, Beruf und familiäre Verhältnisse lehnte Hoffmann ab. Auch der damals stärkste Greizer Ringer, der in Leipzig wohnende Bruno Finzel, war Mitglied der Auswahlmannschaft und hatte in zwei Länderkämpfen gegen die CSSR jeweils eindrucksvolle Siege errungen. Er machte den Vorschlag, eine Außenstelle des Sportklubs in Greiz zu gründen. Sein Vorschlag wurde aber von der zentralen Leitung des Sportklubs abgelehnt. Bruno Finzel versicherte, dass er weiter zur Mannschaft stehen würde und Greiz seiner Unterstützung sicher sein könnte. Kurt Hoffmann hingegen vertrat die Meinung, dass die Betriebssportgemeinschaft Rotation Greiz die besten und entwicklungsfähigsten Ringer an den Sportklub abstellen muss, um eine gute Mannschaft in Leipzig aufzubauen.
So schon uneinig in den eigenen Reihen, die erste Mannschaft noch gesperrt, verlor man noch den rührigen Abteilungsleiter Walter Liesenfeld. Das kam so: Schon in der Monatsversammlung vom 27. September 1954 notierte Gerhard Zaumseil im Protokoll, was der Abteilungsleiter vortrug: „Wenn die Zusammenarbeit mit der Sektionsleitung nicht besser wird, sieht sich die Sparte gezwungen, in eine andere Sportvereinigung einzutreten.“