70 Jahre RSV Rotation Greizv.l.n.r.: Semper, Höppner, Hoffmann, Gebhardt, Neuparth, Schneider, 0. Martens, Ditscherlein, K. Martens

In eigener Sache

Eine Geschichte des Ringkampfsportes in Greiz, wenn auch nur in kurzer Form zu schreiben, ist nicht einfach. Seit mehr als 100 Jahren wird in Greiz gerungen. Allerdings wechselten sich vor 1931 mehrere Vereine ab mit dem Ziel, Kraftsport zu betreiben. Von diesen Vereinen sind praktisch keine Unterlagen mehr vorhanden. Die jeweiligen Nachfolgevereine hatten auch kein Interesse, die Erfolge ihrer Vorgänger der Nachwelt zu erhalten. Mit der Gründung des jetzt unter dem Namen RSV Rotation Greiz firmierten Vereins änderte sich das.

Doch nicht einmal acht Jahre nach der Vereinsgründung brach der Zweite Weltkrieg aus mit all seinen verheerenden Folgen für die Menschen. Obwohl an geregeltes Sporttreiben nicht mehr zu denken war, fanden 1944 noch deutsche Meisterschaften (Freistil) statt. Neben den vielen Toten, die der Verein zu beklagen hatte, wurden auch Teile des Vereinsarchives durch einen Bombenangriff in der Weberstraße 30 (Wohnung des Ringerchefs Rudi Gebhardt) vernichtet. Weitere Unterlagen wurden in der Jahnturnhalle gelagert. Als nach dem Einzug der sowjetischen Besatzungstruppen dort ein Lazarett eingerichtet wurde, fanden die Papiere als Heizmaterial Verwendung.
Nicht alle Vorgänge sind also lückenlos belegt, mancher verdienstvolle Sportler wird nicht erwähnt werden (vielleicht auch aus späteren Jahren), weil er schlicht und einfach in Vergessenheit geraten ist, oder weil der Platz in dieser Broschüre nicht ausreicht.

70 Jahre RSV Rotation Greiz
v.l.n.r.: K. Martens, Schneider, Neuparth, Gebhardt, Ehr. Roth, Semper, Ew. Roth
.l.n.r.: K. Martens, Schneider, Neuparth, Gebhardt, Ehr. Roth, Semper, Ew. Roth[/caption]

Die Anfänge des Ringens in Greiz

Der alles beherrschende Sport in Deutschland des 19. Jahrhunderts war das Turnen. Alle anderen Sportarten führten dagegen ein Schattendasein, entwickelten sich aber im Umfeld des Turnens. So war auch die erste Ringkampfveranstaltung, bei der nachweislich ein Greizer Sportler auftrat, eingebunden in einen Turnwettbewerb. Am 14. September 1885 fand das 11. Osterländische Gauturnfest in Schmölln statt. Als Rahmenveranstaltungen wurden auch leichtathletische Läufe und ein Wettringen durchgeführt. Sieger beim Ringen wurde C. H. Gerold vom Turnklub Greiz, der somit als erster Greizer Sieger beim Ringkampf in die Analen eingeht.

Am 18. und 19. April 1891 trat der zu dieser Zeit schon fast ein Jahrzehnt weltweit bekannte Athlet und Ringkämpfer Carl Abs im Greizer Tivoli auf. Der mecklenburgische Zimmermann, 1851 geboren, trat als Ringer und Stemmer auf und reiste dabei durch Europa, die USA und Kanada. Abs wurde 1884 der erste deutsche Professional-Weltmeister, als er den Amerikaner William Muldoon in New York besiegte. Fachleute sind sich heute einig, ohne Abs, der den Kraftsport in Deutschland in breiten Kreisen der Bevölkerung popularisierte (vergleichbar der Tenniswelle durch die Erfolge von Boris Becker), wäre der Deutsche Athleten- Verband 1891 nicht gegründet worden. Schon ein Jahr später, genau am 10. September 1892, reichte der Greizer Bäckermeister Franz Golla, wohnhaft in der Unteren Silberstraße 2, an die fürstliche Landesregierung die Bitte um Genehmigung des Vereines „I. Greizer Athletenclub“ ein.
Auch über den Werdegang des Vereines liegt das Dunkel der Geschichte, die Genehmigung für öffentliche Auftritte wurde jedenfalls erteilt. Übrigens mußte jeder, der aufgenommen werden wollte, das 18. Lebensjahr überschritten haben.

Bekanntestes Mitglied des Vereins vor der Jahrhundertwende war Franz Linke. Er gewann Wettkämpfe im Ringen, z. B. im August 1896 in Werdau, einen Wettlauf von Künzel’s Lokal (Lehmgrube) bis zur Schlötenmühle, kämpfte aber auch gegen Zirkusathleten. So besiegte er im Oktober 1895 einen Herrn Esser vom Zirkus Immans und erhielt dafür einen Preis von 100 Mark, zu der Zeit ein fürstlicher Lohn. Linke muss wohl ein großes Talent gewesen sein. So setzte er selbst Prämien bis zu 100 Mark aus für denjenigen, der ihn besiegen würde. So geschehen z. B. am 18. Januar 1897 im „Gasthof zum Wolfen“ in Langenwetzendorf.