70 Jahre RSV Rotation Greizv.l.n.r.: Semper, Höppner, Hoffmann, Gebhardt, Neuparth, Schneider, 0. Martens, Ditscherlein, K. Martens

Skandal in Zella-Mehlis

70 Jahre RSV Rotation Greiz
DDR-Mannschaftsmeister 1952: v.l.n.r. Lässig, Semper, Hoffmann, Finzel, Becker, Schleicher, Lohr, Dittmann

Auch das Wettkampfjahr 1954 begann erfolgreich. Diesmal war die Oberliga in drei Staffeln eingeteilt. Greiz wurde wieder ungeschlagen Erster vor Empor Gelenau, Motor Zella-Mehlis und Berlin-Hohenschönhausen. Zusammen mit den beiden anderen Staffelsiegern Sportclub Motor Suhl und Sportklub Chemie Leuna fuhr Greiz zum Finale nach Suhl. Die Greizer rechneten sich zunächst kaum Chancen aus, denn der neugegründete Sportclub Suhl hatte sich mit drei Sportlern verstärkt, die in den Gruppenkämpfen noch für andere Mannschaften gerungen hatten. Die Regelung, dass Sportler zu Sportklubs delegiert werden konnten und sofort startberechtigt waren, wurde 1954 eingeführt und behielt bis zur Wende 1989 ihre Gültigkeit. Über diese Ungerechtigkeit bereits verärgert, schöpften die Greizer nach dem Wiegen doch wieder Hoffnung, denn die Kampfpaarungen waren so schlecht nicht. Doch dann nahm das Verhängnis seinen Lauf. Bereits im ersten Kampf Greiz —Sportclub Motor Suhl kam es zum Eklat. Der Greizer Fliegengewichtler Büttner führte hoch nach Punkten, aber der Kampfrichter Wenzel (Leipzig) erkannte seinem Gegner den Sieg zu. Jahrzehntelang erklärten Beteiligte, der Greizer hätte klar gewonnen. Die Greizer Mannschaft, schon von vornherein unter ungleichen Bedingungen gestartet, sah sich einem Komplott gegenüber und tat das, was eine Sportmannschaft nie tun sollte — sie brach den Kampf ab.

Die Strafe folgte auf dem Fuße. Mannschaftsleiter Erwin Elsner erhielt eine strenge Rüge und Funktionsentzug für die Dauer von zwei Jahren. Martin Lässig und der „Meister des Sportes“, Kurt Hoffmann, erhielten eine Rüge und zwölf Monate Startverbot. Die anderen Aktiven Büttner, Dittmann, Lohr, Becker, Finzel und Frenzel erhielten sechs Monate Startverbot. Alle Greizer Ringer wurden aus dem Team der Nationalmannschaft entlassen.

Die Nachwuchsarbeit wurde durch die Zwangspause der Männermannschaft forciert, die Greizer Jugend wurde auch DDR-Vizemeister hinter Stahl Eisleben, aber der Vorsprung der nun staatlichen Sportklubs war nicht mehr aufzuholen.
Noch einmal nahmen die Greizeralle Kräfte zusammen. Nach Ablauf der Sperre gingen die Kämpfe in einer zweigeteilten Oberliga weiter. In der Staffel A belegten die Greizer Ringer hinter dem Sportclub Chemie Halle-Leuna und vor Chemie Bitterfeld, Motor Schott Jena, Traktor Viernau und Empor Gelenau den zweiten Platz. Damit qualifizierte sich Greiz für die Halbfinals. Im freien Stil wurde Greiz Zweiter hinter der BSG Motor Artern. Im geliebten klassischen Stil schlug man die Betriebssportgemeinschaften Artern, Viernau und Schkopau und qualifizierte sich für das Finale. Im Mai 1956 stand die Greizer Rotationsmannschaft noch einmal in der Endrunde einer DDR-Meisterschaft und wurde hinter dem Sportclub Chemie Halle und dem Sportclub Motor Suhl/Zella-Mehlis Bronzemedaillengewinner. Erst 34 Jahre später gewann die Greizer Mannschaft wieder eine Medaille bei DDR-Meisterschaften. Über das Phänomen „Ringkampf in Greiz“ wurde danach viel spekuliert.

Sicher ist es heute nicht mehr möglich, alles genau zu rekonstruieren. Früher als in anderen Städten begann der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Die gesamte Bevölkerung stand hinter der Mannschaft. Nicht nur in Bezug auf die Leistung ihrer Sportler lag Greiz an der Spitze, auch das Publikum war Spitze. Zehn Jahre lang war das Greizer Publikum das zahlenmäßig stärkste in Deutschland. Dadurch wurde ein Großteil der Auslagen selbst erwirtschaftet. In diesen ersten Jahren nach dem Zusammenbruch waren es vor allem Naturalspenden von Greizer Geschäftsleuten, die dafür sorgten, dass die Kochtöpfe der Ringer etwas voller waren. Ob nun in Form von Gemüse oder Schnitzeln, jedenfalls mehr, als es die Lebensmittelkarten zuließen.