Greiz. Nicht nur in der Greizer Ringerhalle geht es am Sonnabend spannend zu. Die zu Beginn dieser Saison eingeführten Regeländerungen des Deutschen Ringer-Bundes sorgen bis zum letzten Kampftag der Vorrunde für ungewohnte Spannung. Von den zwei Bundesligastaffeln sollten die acht stärksten Vereine in die Endrunde einziehen. Um das zu gewährleisten, wurden die drei Ersten jeder Staffel gesetzt. Die jeweiligen Viertplatzierten kämpfen in einer Zwischenrunde, die noch dazu am 27. und 29. Dezember durchgeführt wird, gegen die Fünftplatzierten der jeweils anderen Staffel. Da ist natürlich jeder froh wenn er mindestens den dritten Platz erreicht. Während in der Staffel West die Endrunden-Teilnahme für Mainz, Köllerbach und Heilbronn sicher ist, steht im Osten nur Titelverteidiger Burghasusen als sicherer Endrunden-Teilnehmer fest. Hösbach, Kleinostheim und Schorndorf sind noch nicht im sicheren Hafen.
Schorndorf steht plötzlich überraschend nur auf Rang vier, da es in Lichtenfels eine Niederlage gab. Ausschlaggebend dafür war dass Schorndorf mit Felix Baldauf einen nicht-deutschen Sportler zu viel aufstellte. Baldauf stammt aus Sachsen-Anhalt, zog mit seiner Mutter später nach Norwegen, erwarb die dortige Staatsbürgerschaft und startete in der norwegischen Nationalmannschaft. In der Corona-Saison 2020, in der Greiz nicht startete, wäre er für den RSV startberechtigt gewesen. Im Jahr darauf wechselte er nach Schorndorf. Bei der Kontrolle der Ausweise am Wochenende in Lichtenfels stellte der Leipziger Kampfrichter Ingo Gleisberg fest, das der die gesamte Saison als Deutscher gestartete Baldauf nur einen norwegischen Pass besitzt, somit als Fünfter nichtdeutscher Sportler zählte und nicht startberechtigt war. Das hatte weitreichende Konsequenzen, denn ohne den norwegischen Europameister von 2017 wurde sowohl aus dem Sieg in Lichtenfels eine Niederlage, als auch auch aus dem Sieg gegen Burghausen. Schorndorf, legte zwar Protest ein, rutschte aber auf den vierten Tabellenplatz ab.
Nach dem jetzigen Tabellenstand liegt Schorndorf zwei Punkte hinter Kleinostheim und Hösbach. Schorndorf dürfte am Sonnabend gegen den bereits feststehenden Absteiger Nürnberg zwar zum Sieg kommen, hätte denn aber vorausgesetzt Kleinostheim unterliegt in Greiz bei Punktgleichheit den direkten Vergleich verloren und müsste sich als Vierter über Weihnachten für die Endrunde qualifizieren. Ringkampfinsider gehen vom ersten Qualifikationskampf am 27.Dezember in Schorndorf gegen Mainz-Nackenheim aus.
Abstiegskampf und Aufstiegsangst
Einige Wettkampfergebnisse des letzten Kampftages in den beiden 2.Bundesligen ließen aufhorchen. Auch hier ist ist die Verbindung zu den vor dieser Saison eingeführten Regelwerk naheliegend. In der Saison 2022 wurde die 2017 abgeschaffte 2.Bundesliga wieder aktiviert. Aus den früher drei Staffeln wurden nun zwei (Nord und Süd). Die bis 2016 existierende Oststaffel mit 10 ostdeutschen Vereinen (Greiz, Markneukirchen, Thalheim, Mansfelder Land, Aue, Lübtheen, Pausa/Plauen, KFC Leipzig, Artern und Werdau) ist völlig verschwunden. Einzige verbliebene Zweitligamannschaft aus dem Osten Deutschlands ist der RV Lübtheen, der in der Nordstaffel kämpft und mit einem Heimsieg am Sonnabend aufsteigen würde.Die beiden Letzten der laufenden Bundesligasaison steigen in die zweite Liga ab, die beiden Tabellenersten der zweiten Liga steigen auf. So ist der Plan. Wie in der Eliteliga sollten auch in jeder Staffel der zweiten Liga jeweils acht Vereine kämpfen. Doch die Besetzung ging schon in der ersten Saison schief. Bundesligaabsteiger Erzgebirge Aue verzichtete auf den Zweitligastart und kämpfte statt dessen in der Regionalliga Mitteldeutschland. Je drei Fahrten ins Saarland und nach NRW und kein einziges Derby gegen eine Mannschaft aus der Nähe schienen wohl zu unattraktiv für die Erzgebirger. Aue macht als Meister der Regionalliga auch in diesem Jahr von seinem auslaufenden Recht Gebrauch, nicht in die 2.Liga aufzusteigen zu müssen. Auch die Südstaffel ist am Ende ihrer ersten Saison nicht mehr komplett. Altmeister VfK Schifferstadt zog wegen finanzieller Probleme sein Team im November aus dem Sportbetrieb zurück.
Während in den ersten Ligen mit aller Kraft gegen den Abstieg gerungen wird, überraschen jedoch Resultate von Spitzenteams der zweiten Liga. In der Staffel Nord hatten die Saarländer vom AC Heusweiler lange auf den aufstiegsberechtigten Rang zwei gelegen. Bei Düren-Merken unterlag die Mannschaft jetzt aber mit 0:40, da zwei Ringer Übergewicht hatten. Das kann zwar passieren, ist für einen Spitzenverein aber sehr ungewöhnlich.
Noch überraschender ist das 0:0 im Sonntagskampf im Süden zwischen der RKG Reilingen-Hockenheim und dem RV Rimbach aus Hessen. Beiden Mannschaften konnte man hinter Tabellenführer Baienfurt/Ravensburg den zweiten Platz zutrauen. Wie kam es aber nun zum im Ringkampfsport eigentlich unmöglich zu erzielenden 0:0? Hatten sich die Teams etwa inspiriert von der „Mannschaft“ bei der laufenden WM in Katar entschlossen ihren Wettkampf auf dem grünen Fußballrasen auszutragen? Wollten die Mannschaftskapitäne bei dieser Gelegenheit endlich mal eine Armbinde wie Manuel Neuer tragen? Weit gefehlt. Es wurde gerungen, doch die Gastgeber in Reilingen konnten nur neun Sportler aufbieten und ein weiterer hatte Übergewicht. Damit hatte eigentlich Rimbach, bei denen auch eine Gewichtsklasse unbesetzt blieb, eigentlich 36:0 gewonnen. Doch als deren Schwergewichtler Georgi Dimitrov aufgerufen wurde, war dieser nicht mehr in der Halle zu finden. Also war auch Rimbach nicht startberechtigt, so lautete das Resultat 0:0. Da beide Vereine nicht startberechtigt waren, wurden beide Vereine wie Verlierer bewertet.
Aus der Ferne betrachtet kann natürlich alles eine Verkettung unglücklicher Umstände sein. Wahrscheinlicher ist es aber, dass sich einige Zweitligisten den sportlichen Wettbewerb eine Klasse höher mit den finanziell weit potenteren Teams nicht zutrauen. Das ist nicht Neues in den oberen Ligen. Anfang der 90-ziger Jahre gab es schon mal ein 0:0 im „Aufstiegs“kampf. Damals war die Heimmannschaft ebenfalls nicht startberechtigt und das Auswärtsteam kam zu spät zum Wiegen. Urloffen müsste beteiligt gewesen sein, wer die andere Mannschaft war, weiß ich nicht mehr.
Jetzt ist guter Rat teuer. Wie werden sich die Vereine am letzten Kampftag verhalten? Stimmt die offizielle Tabelle der 2.Bundesliga Süd überhaupt? Wie geht der SRC Viernheim mit seiner plötzlich vom Himmel gefallenen Aufstiegschance um? Fragen über Fragen, die eine unmittelbare Folge der wieder eingeführten Aufstiegspflicht sind und dem Ringkampfsport nicht guttun. Um wieder beim Vergleich zum Fußball zu sein: Abhängig von der Klassenzugehörigkeit und sogar der Platzierung werden höherklassige Fußballvereine durch den DFB mit riesigen Beträgen aus den Einnahmen durch die Fernsehübertragungen unterstützt. Beim Ringen hat ein aufsteigender Verein nur höhere Ausgaben aber keine anderen Einnahmen. Und durch die Umstrukturierung der ersten Liga ist die Leistungsfähigkeit vor allem der Spitzenvereine zwangsläufig weiter gestiegen. Greiz dürfte in dieser Saison wohl die stärkste Mannschaft aller Zeiten haben und kämpft trotzdem bis zum letzten Kampftag gegen den Abstieg.
Gegen Kleinostheim geht es um alles
Am Sonnabend um 19:30 Uhr wird Kampfrichter Thomas Hausmann aus Luckenwalde den letzten Bundesligakampf in diesem Jahr in der Sporthalle An der Eisbahn anpfeifen. Einen Vorkampf gibt es diesmal nicht. Greiz muss mindestens einen Punkt gegenüber Markneukirchen gutmachen, das zur gleichen Zeit zu Hause gegen Burghausen kämpft, wenn es die Klasse halten will. Das Unterfangen dürfte schwer werden, ist aber nicht aussichtslos obwohl der Vorkampf 11:17 verloren ging. Die Gäste dürften mit einer ähnlichen Aufstellung antreten wie bei ihrem Heimsieg gegen Markneukirchen in der Vorwoche und in der leichtesten Gewichtsklasse mit dem türkischen U23-WM-Dritten Adem Uzun beginnen. Im Schwergewicht kämpft ein alter Bekannter. Der heute 120 kg wiegende Ungar Daniel Ligeti kämpfte 2008 als Neunzehnjähriger für Greiz, damals noch im Halbschwergewicht bis 96 kg. Der zweimalige deutsche Meister aus Westendorf Niklas Stechele (57 kg/g) ist genauso immer für einen Sieg gut, wie das Kleinostheimer Eigengewächs Christoph Henn (86 kg/f). Besonders stark sind die Kleinostheimer in den beiden abschließenden 75 kg-Gewichtsklassen. Im Freistil dürfte der rumänische EM-Fünfte Zurab Kapraev starten, im griechisch-römischen Stil die Kampfmaschine aus Moldawien Alexandrin Gutu, der auch eine Gewichtsklasse höher antreten kann, oder der aus Traunstein in Oberbayern stammende Artur Tatarinov. Dem Greizer Trainer Tino Hempel ist bei der Aufstellung seiner Mannschaft ein glückliches Händchen zu wünschen.
Erhard Schmelzer