Das Greizer TaemDas Greizer Taem

Bei den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio landeten die mit 17,7 Millionen Einwohner deutlich bevölkerungsärmeren Niederlande in der Nationenwertung vor der ehemaligen Sportnation Deutschland. Beim Ringkampf blieben unsere westlichen Nachbarn allerdings ohne Medaillen. Was nicht weiter verwundert, denn das „Worstelen“ spielte früher keine große Rolle im niederländischen Sport. In den 60-er bis 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts verirrten sich zwar manchmal einige Griechisch-römisch-Ringer aus den Niederlanden als Exoten zum internationalen Turnier nach Leipzig, doch bei denen standen bei ihrer Reise oftmals andere Sachen als leistungssportliche Ziele im Focus. Von einer speziellen Ringkampftradition kann man aber beim in diesem Jahr schon zum 50. mal ausgetragenen Osterturnier in Utrecht sprechen, das in den letzten Jahren immer größere Umfänge angenommen hat. Die zum dritten mal seit 1999 in Utrecht startende Vereinsdelegation des RSV Rotation Greiz erlebte diese Entwicklung zum nun zweitgrößten europäischen Nachwuchsturnier aber auch die Fortschritte im niederländischen Ringkampfsport mit. Gab es vor Jahrzehnten nur wenige einheimische Sportler, die sportlich mit den angereisten Gästen mithalten konnten, sah es in diesem Jahr schon anders aus. Gerade Utrecht hat sich zu einer Ringkampfhochburg entwickelt, sowohl in der Breite als auch in der Spitze. Die drei einheimischen Vereine brachten sage und schreibe 83 Aktive auf die Matten und die Sterkenburg-Zwillinge gewannen in den letzten Jahren Medaillen bei Welt-und Europameisterschaften bei Junioren und der U23 im griechisch-römischen Stil. Der gastgebende Verein De Halter konnte aber auch bei den Mädchen in den letzten Jahren Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften feiern. Die niederländische Sportförderung wirkt auch beim Ringkampfsport.

In diesem Jahr starteten 772 Ringerinnen und Ringer aus 111 Vereinen, die aus 21 Ländern kamen. Die weiteste Anreise hatten mehrere US-amerikanische und kanadische Vereine sowie die Vertreter aus Kirgistan. Die Vereinswertung gewannen die „Legends of Gold“ aus den USA. Der Verein ist sowohl im Spielerparadies Las Vegas als auch in South Dakota aktiv und startete mit 50 Teilnehmern. Zweiter wurde mit 37 Startern Olympia Utrecht.
Der RSV Rotation Greiz war mit sechs Aktiven am Karfreitag in die Niederlande gereist. Für Josefine Langhof war nachdem die deutsche Meisterin trotz Meldung nicht antrat mehr möglich gewesen, als der Gewinn der Silbermedaille. In der Gewichtsklasse bis 58 kg musste sie im nordischen Turnier fünfmal antreten. Gleich im ersten Kampf traf sie auf die spätere Siegerin Kasia Wong aus den USA. Die in Las Vegas lebende Hawaiianerin siegte mit 10:2 Punkten. Auch im zweiten Kampf gegen Gaye Tüncel aus Luckenwalde, die bisher immer bezwungen wurde, lief es bei Josefine trotz des 7:6 Sieges noch nicht rund. Das wurde nun aber von Kampf zu Kampf besser, Eine Französin wurde bereits nach 19 Sekunden geschultert und auch eine für die Ostschweiz startende Ukrainerin fand sich kurz vor Schluss auf den Schultern wieder. Auch der letzte Kampf, den es schon bei den deutschen Meisterschaften gab, gegen Ann-Kathrin Krings vom NRW-Stützpunkt Ückerath, die die Amerikanerin geschultert hatte, war schon nach 24 Sekunden siegreich beendet. Durch die drei Schultersiege hatte Josefine Langhof zwar die meisten Punkte erkämpft aber den direkten Vergleich verloren und landete so hinter der Amerikanerin auf den zweiten Platz. Trotzdem ist diese Platzierung ihr bisher größter sportlicher Erfolg.
Die achtjährige Anni Leßmüller (32 kg), die teilweise gegen zwei Jahre ältere Gegnerinnen kämpfen musste, begann mit einem Schultersieg, musste dann zwei Niederlagen – unter anderem gegen eine deutsche Spitzenringerin – hinnehmen, und wurde im Kampf um den fünften Platz von einer Israelin geschultert. Auch Emmett Barth (42 kg) belegte bei den bis zu zehn Jahre alten Gegnern Platz 6. Hier wäre allerdings eine ein bis zwei Ränge bessere Platzierung möglich gewesen.
Dominik Gasser (41 kg/B-Jugend) hatte sich gut vorbereitet. Unter 26 Startern bezwang er zuerst einen Italiener nach guten Kampf 9:6. Danach schulterte er einen Niederländer bereits nach einer Minute. Gegen den späteren ukrainischen Turniersieger Olexander Venest, der für einen rheinland-pfälzischen Verein startete, musste er eine 2:10 Niederlage einstecken. Als er auf den Dänen Malthe Rasmussen traf, durfte er sich keine weitere Niederlage leisten. Bis kurz vor Schluss führte er auch 2:1. Am Ende musste er aber doch noch eine Zweierwertung abgeben, unterlag durchaus unglücklich und wurde auf Rang 10 platziert. Paul Müller (80 kg/A-Jugend) traf im mit 7 Sportlern besetzten 7-er Pool zeitig auf die späteren Turnierzweiten und Dritten. Gegen den Vereinskameraden des Greizer Bundesligaringers Alex Szöke, Alex Maharita von Honved Budapest, unterlag er 0:8. Nach einem 9:0 Sieg über einen Niederländer traf er auf den Neubrandenburger Saribek Gardinjan. Trotz seiner armenischen Staatsbürgerschaft besuchte er nach der Sportschule in Luckenwalde nun die in Frankfurt/Oder und wird dort vom ehemaligen Greizer Brian Tewes trainiert. Der brandenburgische Ringerverband hofft dadurch nach einer erhofften Einbürgerung auf engagierte leistungsbereite Kader. Paul Müller, der auf Rang acht landete, konnte gegen den Greco-Spezialisten zwar einmal in Führung gehen, unterlag aber im angeordneten erwartungsgemäß Bodenkampf klar. Neben Tewes waren übrigens mit dem Stralsunder Trainer Tom Linke und dem als Kampfrichter agierenden Polen Edgar Melkumov weitere Ex-Greizer Sportler anwesend. Quereinsteiger Danny Zimmer (77 kg/Junioren) wusste trotz zweier Niederlagen als Vertreter des jüngsten Jahrgangs zu überzeugen. Gegen den Bayern Lennart Bieringer war er zwar chancenlos, gegen den Südbadener Maurizio Renna stand er aber kurz vor einer Überraschung. Er führte 8:2, als ihm beim einem anfänglich erfolgreichen Konter ein Fehler unterlief und er entscheidend unterlag.

Am Sonntag konnte sich die Greizer Delegation nach der Siegerehrung um 18 Uhr auf den Heimweg machen. Die Wettkampfreise war hart, aber jeder Mitreisende dürfte wertvolle Erfahrungen gesammelt haben. Das Turnier war trotz des sehr späten Beginns am Sonnabend gut organisiert. Die Utrechter Innenstadt, aber auch die Vororte wie Zeist oder Austerlitz wirkten sehr gepflegt. Lebensmittelgeschäfte hatten auch an den Osterfeiertagen geöffnet. Graffitis waren im Gegensatz zu Greiz nicht zu sehen.

Erhard Schmelzer