AV Germania Markneukirchen – RSV Rotation Greiz 7:24
Lokalderbys haben bekanntlich ihre eigenen Gesetze. Doch was sich am Sonnabend in Markneukirchen ereignete, hatte schon sensationellen Charakter. Allein schon die Zahl von offiziell angegebenen 469 Besuchern in der nach einem Brand wiedererrichteten Vereinssporthalle bedeutete fast Tagesrekord für die erste und zweite Bundesliga. Nur zur Feier des Aufstieges beim Altmeister Weingarten kamen einige Zuschauer mehr. Selbst beim Erstligaduell in der Gruppe West, wo es zwischen Köllerbach und dem amtierenden deutschen Meister ASV Mainz 88 noch um den Gruppensieg hing, kamen weniger Besucher. Einen großen Anteil an der Superstimmung hatten die zahlreiche Greizer Anhängerschaft, die trotz des 11:17 verlorenen Heimkampfes gegen Markneukirchen ihr Team vorbildlich unterstützten.
Mattensprecher Nico Picker, früher selbst Bundesligaringer in Jena, der es sich nicht nehmen ließ sein Ehrenamt auch an seinem 50.Geburtstag auszuüben, sprach von einem Duell des „Achten gegen den Siebten, also des Letzten gegen den Vorletzten. Ein Derby, das heiß umkämpft ist, auch wenn beide Teams schon abgestiegen sind.“ Im Vorjahr trennten sich beide Mannschaften nach dramatischen Kämpfen in der Musikhalle 20:20. Diesmal sollte es – für die Greizer – noch viel interessanter und erfolgreicher werden.
Auf Denis Mihai (57 kg/g) ist Verlass. Wie im Vorjahr bezwang er den türkischen Freistiler Mehmet Yüce, der in dieser Stilart vor allem im Bodenkampf überfordert war. Nach Aushebern und einer Schleuder stand es bereits nach zwei Minuten 15:0. (Mannschaftsstand aus Greizer Sicht: 4:0)
Wie würde sich der Türke Fatih Yasarli (130 kg/f) gegen den Ukrainer Danylo Kartavyi schlagen, der den dreifachen deutschen Meister in der 97 kg-Klasse Eric Thiele, den älteren Bruder von Emil, mit 7:1 bezwungen hatte? Am Ende der Kämpfe hatte der Greizer öfters Konditionsprobleme gehabt. Doch was dann folgte war technisch-taktisches Ringen vom Feinsten. Der Türke ließ seinen Gegner praktisch keine Chance: Ständig im Vorwärtsgang, allerdings ohne es zu übertreiben, blockierte er jede Bewegung des Gegners. Dann am sicheren Mattenrand die Explosion. Ein Beinangriff wie aus dem Lehrbuch, den man in dieser Gewichtsklasse kaum sieht. Der 112 kg schwere Ukrainer lag in Brusthöhe quer in der Luft und landete auf den Schultern. Diesen vier Punkten folgten zwei Einserwertungen. Dann Sekunden vor Schluss, als keiner mehr mit einem Angriff rechnete, die Beherrschung am Boden. Mit dem 8:0 kamen weitere drei Punkte auf das Greizer Konto. (7:0)
Auch der zweite Rumäne im Greizer Team, Razvan-Marian Kovacs (61 kg/f) hatte einen starken Gegner. Der Moldawier Anatoli Buruian hatte für die Sachsen in beiden Stilarten recht erfolgreich gekämpft. Zur Halbzeit stand es 1:0. Dann baute der Rumäne seinen Vorsprung auf 3:0 aus als er einen Beinangriff seines Widersacher übernahm. Eine 30-Sekunden Strafe, ein doppelter Beinangriff und eine Beherrschung am Boden, nach sechs Minuten konnte sich der Greizer unter dem Beifall der Greizer Zuschauer als 8:0 Sieger feiern lassen. (10:0)
Emil Thiele (98 kg/g) musste nach dem Saisonausfall des Olympiafünften Alex Szöke antreten obwohl er selbst angeschlagen war. So verwunderte seine schnelle Schulterniederlage gegen den Ex-Lugauer Anton Vieweg nicht. Beide trainieren am Bundesstützpunkt in Leipzig, der Lugauer Vizemeister ist bei der Stadt Leipzig beschäftigt und bekommt genügend Zeit zum Training. (10:4)
Da Not am Mann war, musste Joel Wrensch (66 kg/g) in dieser Stilart aushelfen. Er traf aber nicht wie erwartet auf Dustin Scherf sondern auf Roman Walter, der ihn allerdings im freien Stil mit 6:1 bezwungen hatte. Aber der Greizer, nun schon längere Zeit beim Thüringer Verband als Trainer angestellt, kam mit dieser Stilart viel besser zurecht. Er zwang den aus Hof stammenden Gegner seinen Stil auf, brachte seinen Gegner zweimal zu Boden, dominierte die gesamte Kampfzeit und konnte sich am Ende über einen 4:1 Sieg freuen. In der Vorwoche lag Greiz gegen Lichtenfels
zur Pause 4:14 zurück, diesmal hieß es 12:4 für Greiz.
Im Vorjahr hatte Martin Obst gegen den Deutsch-Polen Patryk Dublinowski mit 0:15 verloren. Diesmal erwischte es Lucas Kahnt (86 kg/f). Der leichtfüßige und schnellere Dublinowski startete mit einem Knöchelgriff, dem er eine Beinschraube folgen ließ. Zur Halbzeit hieß es bereits 0:8. Doch der Greizer hielt dagegen, wurde jetzt immer stärker, gab zwar noch zweimal einen Punkt ab, stand aber jetzt auch mehrmals kurz vor Punktgewinnen. Am Ende unterlag er 0:10 (12:7)
Der lange ausgefallene Moritz Langer (71 kg/f) traf auf das Markneukirchener Eigengewächs Johannes Adler. Der Greizer wurde seiner Favoritenrolle gerecht, der Markneukirchener verlangte ihm aber alles ab. Kurz vor Schluss stand der 20:2 Erfolg des Greizers fest. (7:16)
Im Vorjahr hatte Maximilian Besser (80 kg/g) unglücklich gegen den Armenier Seyran Simonyan auf Schultern verloren. Diesmal traf er auf den italienischen EM- und WM-Teilnehmer Luca Dariozzi, der in der Anfangsphase 2:0 in Führung ging. Dann gelang ihm im angeordneten Bodenkampf eine Rolle, doch bei der zweiten wurde er gekontert, der Greizer, der von Kampf zu Kampf besser zu werden scheint, bekam ihn zu fassen und zwang den Überraschten nach nicht einmal zwei Minuten auf beide Schultern. Der Greizer Anhang skandierte: „Hier regiert der RSV!“ Zwei Kämpfe vor Schluss stand der Auswärtssieg bereits fest. (7:20)
Der Sack war aber noch nicht zugebunden, denn jetzt kam Routinier Christian Fetzer (75 kg/g). Im Vorjahr hatte er Maximilian Simon geschultert, nun traf er auf den amtierenden deutschen Meister in der 67 kg-Klasse Marco Stoll, den er bereits im Vorkampf mit 10:2 bezwungen hatte. Der Greizer startete durch einem Kopf-Hüft-Schwung mit 4:0. Als der Markneukirchener zu Boden musste, gelang dem Greizer, der neben unbändigen Kampfgeist auch seine jahrzehntelang einstudierten technischen und taktischen Fähigkeiten mit auf die Matte bringt, sein Lieblingsgriff. Der Gegner wird von vorn am Kopf und Oberkörper geschnürt, abgehoben und im hohen Bogen durch die Luft befördert. Nun stand es schon vor der Halbzeit 9:0. Stoll war wohl zu enttäuscht vom Kampfverlauf, verlor die Nerven, so dass er vom mecklenburgischen Kampfrichter Mario Schmidt zweimal sanktioniert werden musste. Nach 6 Minuten stand es 13:0. Stoll bekam nach der Siegerverkündung noch eine gelbe und eine rote Karte. (7:23)
Zum letzten Bundesligakampf eines Greizer Ringers für unbestimmte Zeit trat Nikolay Grahmez (75 kg/f) an, der eine starke Saison gerungen hatte. Sein Gegner war der Tschetschene Mokhmad Dadaev. Beide boten den Zuschauern noch einmal angriffsbetontes Freistilringen, bei dem es zur Halbzeit 4:4 stand. Der Greizer ging mit Aktionen aus der Zangenfassung zwar 14:4 in Führung, musste aber – am Ende konditionell nachlassend – froh sein noch mit 14:13 gewonnen zu haben. Der Greizer Anhang feierte den 24:7 „Auswärtssieg“ mit „Oh, wie ist das schön.“
Mit einem in dieser Höhe von niemand erwarteten Erfolg verließen die Greizer durch das bessere direkte Punktverhältnis in letzter Sekunde noch den letzten Tabellenplatz. Für den Abstieg spielt das keine Rolle mehr, beide Mannschaften sind raus aus der „Ersten“, werden sich aber im nächsten Jahr wieder zum Vogtlandderby treffen. Dann allerdings in der 2.Bundesliga. Die Greizer Zuschauer, die dieses Jahr in Markneukirchen waren, werden sicher nach dieser Werbung für den Ringkampfsport wieder mit dabei sein.
Übrigens: Zum fünften mal in Folge seit 2018 (2020 fiel die Saison wegen Corona aus) wurde der Greizer Ringerverein erfolgreichste Mannschaft Ostdeutschlands. Nächstes Jahr findet dieser inoffizielle Wettbewerb in der 2.Bundesliga statt.
Erhard Schmelzer
Einzelerebnisse:
Stilart | Gewicht | Name | Name | Punkte | Wertung | Zeit |
Gr.-röm. | 57 | Mehmet Yüce | Denis-Florin Mihai | 0:4 | TÜ 0:16 | 03:46 |
Freistil | 61 | Anatolii Buruian | Razvan-Marian Kovacs | 0:3 | PS 0:8 | 06:00 |
Gr.-röm. | 66 | Roman Walter | Joel Wrensch | 0:2 | PS 1:4 | 06:00 |
Freistil | 71 | Johannes Adler | Moritz Langer | 0:4 | TÜ 2:20 | 05:24 |
Gr.-röm. | 75A | Marco Stoll | Christian Fetzer | 0:3 | PS 0:13 | 06:00 |
Freistil | 75B | Mokhmad Dadaev | Nikolay Grahmez | 0:1 | PS 13:14 | 06:00 |
Gr.-röm. | 80 | Luca Dariozzi | Maximilian Besser | 0:4 | SS 5:2 | 01:47 |
Freistil | 86 | Patryk Dublinowski | Lucas Kahnt | 3:0 | PS 10:0 | 06:00 |
Gr.-röm. | 98 | Anton Vieweg | Emil Thiele | 4:0 | SS 4:0 | 00:05 |
Freistil | 130 | Danylo Kartavyi | Fatih Yasarli | 0:3 | PS 0:8 | 06:00 |
Aktuelle Tabelle:
Platz | Mannschaft | Anz.K. | Plus | : | Minus | Differenz | + | : | – | ? | |
1 | SV Wacker Burghausen | 14 | 239 | : | 126 | 113 | 24 | : | 4 | ||
2 | SC Kleinostheim | 14 | 221 | : | 133 | 88 | 22 | : | 6 | ||
3 | ASV Schorndorf | 14 | 246 | : | 128 | 118 | 20 | : | 8 | ||
4 | KSC Germania Hösbach | 14 | 202 | : | 181 | 21 | 16 | : | 12 | ||
5 | AC Lichtenfels | 14 | 183 | : | 183 | 0 | 12 | : | 16 | ||
6 | KG Baienfurt/Ravensburg | 14 | 146 | : | 252 | -106 | 10 | : | 18 | ||
7 | RSV Rotation Greiz | 14 | 145 | : | 258 | -113 | 4 | : | 24 | a | |
8 | AV Germania Markneukirchen | 14 | 137 | : | 258 | -121 | 4 | : | 24 |