Die zehn stärksten Vereinsmannschaften Deutschlands trafen sich in Greiz zur diesjährigen Mannschaftsmeisterschaft der Ringerjugend. Nach zwei ereignisreichen Tagen in der Sporthalle in Greiz-Aubachtal konnte am Samstagabend der Präsident des gastgebenden RSV Rotation Greiz Thomas Fähndrich ein erfreuliches Fazit ziehen: „Alle unsere Hoffnungen haben sich erfüllt. Nachdem es uns in den letzten Jahren bereits gelungen ist Thüringer und Mitteldeutsche Meisterschaften auszutragen, wollten wir beweisen, dass es uns auch möglich ist eine deutsche Meisterschaft zur vollsten Zufriedenheit der beteiligten Sportler und Funktionäre zu organisieren. Und ich glaube, das ist uns mit Hilfe unserer zahlreichen Helfer, denen ich auf diese Weise herzlich danken möchte, gelungen.“ Der traditionsreiche Greizer Ringerverein war bereits Anfang der 50-ziger Jahre viermal Ausrichter von DDR-Meisterschaften. Nun konnten erstmals deutsche Titelkämpfe veranstaltet werden. Der stellvertretende Jugendreferent des Deutschen Ringer-Bundes Michael Stärk, der die Veranstaltung leitete, schloss sich dieser Meinung voll und ganz an: „Von allen Delegationen kam nur positives Feedback.“ Der Thüringer Landespräsident Bela Olah, der sich über das gute Abschneiden des Greizer Teams freute, ging noch weiter: „Diese Halle und dieses Organisationsteam, da bieten sich sogar deutsche Einzelmeisterschaften an.“
Bei den Mannschaftsmeisterschaften wurde in acht Gewichtsklassen zwischen 43 kg und 110 kg mit in jeder Gewichtsklasse wechselten Stilarten gekämpft. Startberechtigt waren Sportler der Geburtsjahrgänge 2010 bis 2006, wobei die jüngeren Jahrgänge meist in den leichteren Gewichtsklassen kämpften. In diesem Alter haben sich die meisten Ringer schon auf eine bestimmte Stilart spezialisiert. Wenn er nun durch den Wechsel der Stilarten gezwungen ist in einer anderen Stilart zu kämpfen, ist das natürlich eine besondere Herausforderung. Einige können damit sehr gut umgehen, andere fürchten diesen Wechsel außerordentlich. Dadurch und weil auf Sportler verschiedener Altersklassen zurückgegriffen werden muss, ist eine Standortbestimmung für die Vereine im voraus noch schwieriger, was für zusätzliche Spannung sorgt.
Die Greizer hatten im Vorjahr den achten Platz belegt. Wie würde es nun in heimischer Umgebung aussehen? Bedingt durch Ausfälle und auf Grund taktischer Erwägungen mussten Pascal Hessel (58 kg) und Paul Müller (80 kg) ihr Gewicht kurzfristig stark reduzieren. Als Freistilspezialisten mussten Silas Warmuth und Paul Müller im griechisch-römischen Stil kämpfen. Der – wiedereinmal geänderte – Wettkampfmodus bedingte, dass die Teams in zwei Gruppen jeder gegen jeden kämpften. Damit waren für alle Vereine vier Kämpfe garantiert. Die drei ersten jeder Gruppe traten dann gegen den Gleichplatzierten der anderen Gruppe um die Plätze eins, drei und fünf an.
Schleppender Beginn
Die von den Trainern Maximilian Böttger, Tino Hempel und Erhard Schmelzer betreuten Greizer setzten in den fünf Kämpfen neun Sportler ein. Erster Gegner am Freitagabend war der frischgebackene bayerische Meister SC Isaria Unterföhring. Beide Teams konnten vier Kämpfe für siegreich gestalten. Während die Bayern dabei aber 15 Punkte durch drei vorzeitige Siege auf ihr Konto brachten, reichte es für die Greizer durch knappere Erfolge nur zu 10 Punkten. Eine durchaus vermeidbare Niederlage. Pascal Hessel hatte gegen den ein Jahr jüngeren U17-Vizemeister Dominic Thiel, der mit dem Auer Finn Weiss um die EM-Teilnahme kämpft, zwar 6:0 geführt aber dann doch noch durch eine Serie von Beinschrauben deutlich verloren. Harald Hertwig, der langjährige Trainer des Titelverteidigers Urloffen, war von den blitzschnellen Beinangriffen des Greizers begeistert, aber auch überrascht vom Ausgang des Kampfes. Auch einige andere Sportler ließen Punkte liegen. Am Sonntag sollte es aber besser laufen. Doch zuerst sah es gar nicht so aus. Erster Gegner war der einzige weitere ostdeutsche Vertreter, der KFC Leipzig, der in überragender Manier von Sieg zu Sieg eilte und im Finale den NRW-Vertreter TV Essen-Dellwig mit 19:3 überfuhr. Beim Leipziger Verein kamen durchaus Reminiszenzen an den DDR-Sport auf. Alle eingesetzten Stammkräfte trainieren unter optimalen Bedingungen an der dortigen Sportschule und das Team wurde durch Zugänge von deutschen Spitzenringern aus Aue und Taucha oder gar dem hessischen EM-Siebten Kristian Flink (80 kg) sowie weiterer starker ausländischer Sportler verstärkt. Bis auf eine Ausnahme brachten die Leipziger nur Medaillengewinner der deutschen Einzelmeisterschaften dieses oder des letzten Jahres auf die Matte. Im Greizer Team, das auf drei Sportschüler bauen konnten, hatte mit Alexander Bahn nur einen Sportler in Ihren Reihen, der das Ringen nicht in Greiz erlernt hatte. Zudem fielen bisher die beiden tschetschenischen Sportler in den leichtesten Gewichtsklassen im Gegensatz zu ihrem schwereren Landsmann nicht durch besonderen Trainingsfleiß auf. Auch ein Grund, dass auch Insider nicht nur begeistert von der Übernahme der Meisterschaft waren. Wiedereinmal zeigte sich auch wie unterschiedlich in Deutschland auch die Unterstützung für den Nachwuchssport ist. Während der Titelverteidiger Urloffen mit einem Reisebus und einem Tross von 50 Personen die Fahrt in den Osten Deutschlands unternahm, war der Jugendtrainer des Bundesliga-Spitzenteams Mainz ganz auf sich gestellt.
Die Greizer Trainer hatten gegen die Messestädter ihre Mannschaft etwas umgestellt, mussten aber nicht nur deshalb eine eklatante 0:29 Niederlage einstecken. Nur Leon Weller (65 kg) und Alexander Bahn (110 kg) kamen über die volle Kampfzeit. Der trainingsfleißige B-Jugendliche Abubakar Vakhidov (72 kg) konnte so etwas Erfahrung sammeln.
Greiz in der Erfolgsspur
In der dritten Runde hatten die Greizer kampffrei, Gelegenheit Stärken und Schwächen der Gegner zu analysieren. In der vierten Runde hieß der auch aus Bundesligatagen bekannte Gegner KSC Hösbach. Gegen den Hessenmeister kam der RSV auf Touren. Warmuth, Hessel, Müller und Bahn erkämpften die Höchstpunktzahl. Hassan Bersanukaev (43 kg) und Richard Brand (72 kg) steuerten drei weitere Punkte bei. Der RSV siegte überraschend hoch mit 19:5.
Letzter Hauptrundengegner war die Jugendmannschaft des Bundesligameisters von 2023, des ASV Mainz 1888. Durch vorzeitige Siege von Abdul-Halim Galamatov (47 kg), Hessel, Weller, Brand und Müller sowie drei Punkte von Bahn und einen von Bersanukaev siegte Greiz 24:2 und konnte sich so unter großem Jubel den dritten Platz in ihrer Vorrundengruppe sichern. Der Gegner im Kampf um den fünften Platz hieß nun SV Johannis Nürnberg, der Vizemeister des Vorjahres, langjähriger Bundesligarivale und bekannt für seine exzellente Nachwuchsförderung. Bei den deutschen Einzelmeisterschaften – was in der DDR nicht anders war – finden die Platzierungskämpfe um die Ränge 1 bis 6 am Sonntagvormittag statt. Eine Teilnahme daran kann man als Ritterschlag für die Aktiven betrachten. Das ist bei den Mannschaften nicht anders. Die Greizer Ringer hatten mit ihrem Vordringen unter die besten sechs in Deutschland wieder einmal für Aufsehen gesorgt, auch wenn der Kampf um den fünften Platz mit 10:16 verloren ging. Nur Bersanukaev und Hessel kamen zu vorzeitigen Siegen. Bahn gewann 12:0. Brand und Müller (gegen den vorjährigen Vizemeister) unterlagen knapp. Es war spannend bis zum Schluss. Vor dem letzten Duell des Greizers Leon Weller gegen Damir Shifagutov führte Nürnberg nur 12:11. Doch der durch viele Turniere erfahrene Nürnberger ließ sich nicht überraschen und gewann kurz vor Schluss entscheidend.
Hinter Leipzig, dass Essen-Dellwig mit 19:3 bezwang, wurde Titelverteidiger ASV Urloffen in einem äußerst knappen und bis zur letzten Sekunde umstrittenen 14:12 Dritter gegen den Greiz-Bezwinger SC Isaria Unterföhring. Das Maskottchen der Urloffener, die Hornisse, konnte doch noch in der Greizer Halle feiern.
Erhard Schmelzer
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