Greizer Nachwuchsringer schwitzten in UngarnSiegerehrung in Ungarn: von links: Fiona Gasser, Arthur Reim, Pascal Hessel, Daria Reim, Dominik Gasser, Paul Müller. Foto: Robert Hessel

Greiz. Seit März läuft das Training der Nachwuchssportler im Greizer Ringerverein – wie auch deutschlandweit – wieder an. Das normalerweise umfangreiche und differenzierte deutsche Wettkampfsystem in gerade diesen Altersklassen kam allerdings bis heute nicht in die Gänge. Ursache dürfte das Misstrauen der potentiellen Veranstalter vor kurzfristigen Absagen und Einschränkungen wegen Anti-Corona-Maßnahmen sein. Anders scheinen auch die Stornierungen der deutschen Meisterschaften bei Männern und Frauen nicht zu begründen sein. Bei Zuschauerbeschränkungen – die EM der Junioren in Dortmund fand noch Ende Juni völlig ohne zahlende Besucher statt – wäre es sicher zu enormen finanziellen Verlusten für die ehrenamtlichen Veranstalter gekommen.
Bis heute fand in Deutschland nur ein einziges Nachwuchsturnier statt, das in Torgelow vom rührigen Vorsitzenden des Ringerverbandes Mecklenburg-Vorpommern Uwe Bremer clever organisierte „Freibadturnier“. Leider konnten die Greizer daran aus diversen Gründen nicht teilnehmen.
Um nun nicht völlig ohne Wettkampferfahrung bei den Anfang September anstehenden mitteldeutschen Meisterschaften der Jugend B und der weiblichen Jugend – die Titelkämpfe der Jugend A legen nun allerdings schon eine zweijährige Zwangspause ein – starten zu müssen, kam eine Einladung aus Ungarn gerade recht. Der rührige Verein Vasas Budapest, der früher mehrere Jahre lang jeweils im August eine Trainingswoche zur Vorbereitung auf die deutsche Bundesliga ausrichtete, organisierte nun fern der Hauptstadt in der ungarischen Tiefebene, in der Stadt Szarvas ein internationales Turnier, dem sich ein einwöchiges Trainingslager anschloss.

Beim internationalen Freistilturnier starteten sieben Greizer Jungen und Mädchen der Geburtsjahrgänge 2006 bis 2010. Die Gegnerschaft bestand nicht nur aus ungarischen Ringern, sondern auch aus Sportlern aus Rumänien, Frankreich, Polen, Estland und der Ukraine. Eine rund 40-köpfige Delegation aus dem US-amerikanischem Ostküstenstaat North-Corolina, der allerdings auch Sportler anderer Bundesstaaten angehörten, komplettierte das Teilnehmerfeld. In Ungarn herrschte während der ganzen Woche heißes Sommerwetter, auch in der Wettkampfhalle war es ungewohnt warm. Die Wettkämpfe auf den drei Matten litten zwar unter einer verbesserungswürdiger Kommunikation und einer wirklich schlechten Lautsprecheranlage, wurden aber zügig durchgeführt. Fehler in der Listenführung scheinen nur der Greizer Delegation aufgefallen zu sein. Bei den Wettkämpfen konnten die Greizer zwar einigermaßen mithalten, wenn es aber hart auf hart ging, musste man feststellen, das hinsichtlich Handlungsschnelligkeit und auch in Bezug auf die technischen Mittel noch sehr viel Luft nach oben besteht. Hier muss im Training einfach konsequenter und intensiver gearbeitet, auch intensiver mitgearbeitet werden. Auch die Hinwendung zu Techniken, die in höheren Altersklassen dominieren, muss eindeutig früher geschehen. Man sollte allerdings auch berücksichtigen, dass es für die Meisten der erste internationale Einsatz war und demzufolge vor allem bei den jüngeren Startern auch eine gewisse Nervosität nicht zu leugnen war. Beim Wettkampf wurden wegen der hohen Teilnehmerzahl die zahlenmäßig stark besetzten Gewichtsklassen geteilt, so dass die Resultate etwas über das wahre Leistungsvermögen täuschen können. Arthur Reim wurde bei den Kindern Zweiter. Paul Müller (62 kg) schien gegen den Amerikaner Ashton Past bei seinem 0:8 Rückstand die Bronzemedaille schon verspielt zu haben, kam aber noch zum Schultersieg. Auch Pascal Hessel (48 kg) kämpfte im Kampf um Bronze gegen einen Amerikaner und musste nach 8:0 Führung gegen Jacob Morris beim 8:4 am Ende noch um den Sieg bangen. Die dritte Bronzemedaille sicherte sich bei den Mädchen Fiona Gasser (41 kg), währen Bruder Dominik mit Rang vier vorlieb nehmen musste. Fünfte Plätze gingen an Daria Reim und Olga Kim.

Von Montag bis Freitag schlossen sich ein intensiv Trainingstage auf sechs Matten an. Bei den vielen Teilnehmern musste in zwei Gruppen, jeweils zweimal täglich in Einheiten von 90 Minuten, trainiert werden. Trotz intensiver Mitarbeit manifestierten sich auch hier bei den Greizern bereits im Wettkampf erkannten Schwächen. Die gleichaltrige oder teilweise sogar jüngere Gegnerschaft war deutlich sichtbar technisch besser ausgebildet. Thüringens Landestrainer Hartmut Reich, dessen geplante Reisegruppe von der Sportschule Jena durch Verletzungen und Krankheiten arg zusammengeschmolzen war, sah auch einigen Nachholebedarf und organisierte für die älteren Thüringer Sportler vor deren Trainingsstart jeweils eine zusätzliche Technikeinheit.
Interessant war es zu beobachten, dass trotz der ungewohnten hohen Belastung die Freude am Training und der Bewegung über die Erschöpfung siegte und ähnlichen Projekten mit Spannung und Vorfreude entgegengesehen wurde.

Auch das Freizeitvergnügen und der „Wassersport“ kam nicht zu kurz. So wurde das weiträumige Thermalbad im etwas entfernten Cserkeszölö zweimal besucht und auch das Hallenbad vor Ort hatte fast Spaßbadcharakter. Selbst der sich malerisch durch die Stadt mäandernde Arm der Körös wurde zum Baden genutzt.

Jonas Dietsch, der aus beruflichen Gründen später nachreisen musste und dabei durch Verspätungen auf dem Gebiet der Deutschen Bahn in die erwarteten Kalamitäten kam, sah das aus seiner Sicht so:
„Wir hatten das Glück gemeinsam eine Woche mit Spitzenathleten aus aller Welt zu trainieren. Als wir das erste Mal die circa 30 Grad Celsius warme Trainingshalle betraten, standen wir dem Ganzen mit gemischten Gefühlen gegenüber und nicht allein die klimatischen Bedingungen brachten uns ins Schwitzen. Auswahlringer jeglicher Nation betrachteten uns, als wären wir ihr zweites Frühstück auf der Matte und wir befürchteten, wir würden hier sang- und klanglos untergehen. Diese Zweifel legten sich aber schnell und wir gewöhnten uns Tag für Tag besser an die Gegebenheiten. Schlussendlich konnten wir zahlreiche neue Techniken erlernen und auch konditionell enorme Fortschritte vorweisen. Durch gelungene Freizeitaktivitäten als Ausgleich war das Trainingslager im Gesamten ein voller Erfolg.“

Erhard Schmelzer