Zum siebenten Male fanden die Weltmeisterschaften der Ringer in der ungarischen Hauptstadt Budapest statt.
GREIZ. Bereits bei der zweiten und dritten Auflage 1985 und 1986 reiste die sich damals im Wiederaufbau befindende Greizer Ringermannschaft nach Ungarn, trug Freundschaftskämpfe aus und besuchte die Welttitelkämpfe. 1985 erlebten sie, wie der für den Sportclub Motor Jena startende Greizer Uwe Neupert in der Gewichtsklasse 90 kg die Bronzemedaille gewann. Nun bei der siebenten Auflage am gleichen Standort, aber in der nach einem Brand zu Beginn des neuen Jahrtausends neu errichteten Halle, die den Namen des dreimaligen Box-Olympiasiegers und Profi-Weltmeisters Laszlo Papp trägt, war erstmals mit Martin Obst ein zur Zeit für Greiz kämpfender Ringer am Start.
Nach den Europameisterschaften im Mai in Rußland konnte man bei den Freistilringern von einer positiven Leistungsentwicklung sprechen. Ihr Erfolgreichster, Martin Obst, konnte in der 79 kg-Klasse die Silbermedaille erkämpfen.
Letztmalig stand 2007 ein deutscher Ringer in einem EM-Finale des freien Stils. Die Freistiler liefen dabei sogar den Griechisch-Römisch– Spezialisten, wenn auch nur in der Medaillenwertung, den Rang ab, da diese nur eine Bronzemedaille erkämpften. Man fuhr also mit gewissen Hoffnungen nach Budapest, wurde aber bitter enttäuscht.
Das Freistilteam von Bundestrainer Jürgen Scheibe war nach Ausfällen auf Grund von Verletzungen auf vier Athleten zusammengeschmolzen. Neben Martin Obst (79 kg) starteten Ahmet Dudarov (86 kg/Mainz-Nackenheim),
Eric Thiele (97 kg/Burghausen) und Nik Matuchin (125 kg/Adelhausen).
Der EM-Fünfte Dudarov führte im ersten Kampf bis 20 Sekunden vor Schluss gegen den Slowaken Boris Makoev um dann noch auf Schultern zu verlieren. Eric Thiele traf bereits in der ersten Runde auf den aus Kuba stammenden Italiener Abraham Conyedo und unterlag mit 0:2. Dem in Luckenwalde ausgebildeten Nik Matuchin erwartete der türkische Olympiasieger Taha Akgül, so dass die 0:9 Niederlage nicht überraschend kam. Dem Welt- und Europameister, der auf Rat seiner
Trainer acht Kilogramm abgenommen hatte, wirkte allerdings kraftlos und langsam, gewann zwar gegen einen Ukrainer, unterlag dann aber dem Bronzemedaillengewinner Parviz Hadibasmanj aus dem Iran und belegte einen enttäuschenden siebenten Platz. Da keiner der Bezwinger der deutschen Ringer ins Finale einzog, schieden diese bereits nach dem ersten Kampf aus. Nur ein deutscher Freistilringer trug mehr als einen Kampf aus und das war Martin Obst. Im ersten Kampf war der Kanadier Jasmit Phulka der Gegner, der nach einer nicht so zwingend verhängten Aktionszeit, bei der dem Deutschen kein Punkt gelang, mit 1:0 zur Pause in Führung lag. Martin Obst griff nun aktiver an, erwischte zweimal das Bein des Gegners, brachte diesen zwar nicht zu Boden, sondern nur ins Aus, was die 2:1 Führung bedeutete. Diese Führung verteidigte er gegen den nun verstärkt angreifenden Nordamerikaner mit indischen Wurzeln erfolgreich bis zum Schlusspfiff. Hurrikans treten meist in der Karibik und den an der Atlantikküste der USA gelegenen Staaten auf.
In der Nähe des Ontariosees sind sie unbekannt. Am Sonntagmittag tobte allerdings ein Hurrikan, der seinen Ursprung in deer Nähe des Ontariosees hatte, durch die mit 15 000 Zuschauern ausverkaufte Laszlo-Papp-Arena.
Der US-Amerikaner Kyle Dake hatte in der Qualifikation Freilos und traf so auf den unvorbereiteten Martin Obst. Der Student der berühmten Cornell Universität in im südlich des Ontariosees gelegenen Ithaca versetzte alle in Erstaunen. Mit blitzschnellen
Beinangriffen, denen er Rollen nach beiden Seiten folgen ließ, degradierte der blonde 27-jährige, der von seinen Fans Kid Dynamite genannt wird, nicht nur den Greizer sondern im Viertelfinale den Georgier David Khutsischvili und im Halbfinale den russischen Europameister Akmet Gadshimagomedov zu Statisten. Martin Obst konnte sich trotz seiner 0:11 Niederlage noch zu Gute halten, am längsten auf der Matte gestanden zu haben. Der Georgier und der Russe waren schon vor der Pause mit 0:11 und 0:13 bezwungen. Nur im Finale gegen den zur insgesamt enttäuschenden aserbaidschanischen Mannschaft gehörenden Jabrail Hasanov wurde er vorsichtig und ließ es mit einem nie gefährdeten 2:0 Sieg bewenden.
In der Hoffnungsrunde vergab Martin Obst die Chance auf eine bessere Platzierung gegen den Georgier David Khutsischvili. Geschockt von der Niederlage gegen den späteren Weltmeister fand
er gegen den Kaukasier keine Einstellung und musste sich mit 0:10 geschlagen geben. Er landete als bestplatzierter deutscher Freistilringer auf Rang 13.
An den Freistilkämpfen der Männer beteiligten sich Athleten aus 62 Ländern. Bei der Mannschaftswertung lieferte sich die favorisierten Russen einen verbissenen Kampf mit den USA.
Am Ende waren die Russen die Besseren, die auch mit vier Weltmeistertiteln einen mehr als die Hauptkonkurrenten gewannen. Dabei hatten sie allerdings das Glück, das ihr Vertreter in der leichtesten Gewichtsklasse im Finale Sekunden vor Schluss durch eine Verwarnung den Titel gegen einen bis dahin führenden Kasachen gewann. Die restliche drei Titel gingen an Kuba, Japan und Georgien. Eine Besonderheit gab es in der 70 kg-Klasse.
Der größte Teil der russischen Sportler kam aus der Teilrepublik Dagestan. Im Finale standen sich zwei gebürtige Dagestaner gegenüber, von denen einer allerdings die Staatsbürgerschaft des im persischen Golfs gelegenen Königreiches Bahrain angenommen hatte. Auch andere Länder setzten auf Sportler aus den traditionellen
Ringernationen. Für Italien startete mit dem Bronzemedaillengewinner Conyedo, der Eric Thiele aus dem Rennen warf, neben Ex-Weltmeister Chamiso der zweite Kubaner. Die Spanier gewannen mit dem aus Rußland stammenden Osseten Taimuraz Friev mit Bronze die erste WM-Medaille überhaupt. Auch der Slowake Makoev, der den deutschen EM-Fünften Dudarov schulterte, erlernte das Ringen in Ossetien. In Rußland scheinen die gewöhnlich sehr erfolgreichen Osseten zur Zeit etwas den Anschluss an die dominierenden Dagestaner verloren zu haben. Vielleicht war das der Grund, weshalb der als immer sehr diszipliniert auftretende Cheftrainer Marik Tedeev die Nerven verlor und nach einer Niederlage eines seiner Sportler dem Schiedsrichter einen Bodycheck versetzte. Wie stark der Einfluss des russischen Verbandes in der internationalen Föderation ist, bewies die Tatsache, dass der mit der roten Karte bestrafte Trainer bereits am nächsten Tag wieder auf dem Trainerstuhl saß.
Mehrere hundert deutsche Ringkampfanhänger besuchten die Weltmeisterschaften in Ungarn. Sie waren in ihrer Mehrzahl der Meinung hervorragende Titelkämpfe gesehen zu haben, die im sportlichen Bereich sehr gut organisiert waren. Die Leitung der Sporthalle versagte aber mehrmals.
Am Eröffnungstag wurden die Tore für die wartenden Zuschauer erst geöffnet, als in der leeren Halle die ersten Kämpfe schon liefen. Danach konnten wegen eines Computerausfalls keine Eintrittskarten mehr verkauft werden. Am Sonntag, als IOC-Präsident Thomas Bach die Titelkämpfe besuchte, hatte der ungarische Verband im Rahmen eine Werbeaktion tausende junge Nachwuchssportler eingeladen, mit der Folge, dass hunderte weit angereiste ausländische Ringkampfanhänger keine Eintrittskarten mehr erwerben konnten. Selten gab es beim Ringen so wenig Diskussionen über die Kampfrichterleistungen. Hier hat der internationale Verband mit dem Videobeweis (Challenge) einen gewaltigen Fortschritt erreicht.
Unter den Besuchern befand sich auch eine Delegation des Thüringer Ringerverbandes, die vom Präsidenten Lutz Zimmermann geleitet wurde, der zusammen mit Trainer Kay Taubert jungen veranlagten Sportlerinnen und Sportlern neben dem Training vor Ort die Chance gab, ihre Idole, denen sie nacheifern sollen, in natura in Aktion zu erleben. Die Nachwuchssportler waren begeistert. Sie haben aber auch gesehen, wie weit für die deutschen Sportler der Weg zur Weltspitze ist.
Erhard Schmelzer @25.10.2018