Die Europameisterschaften der Ringer im russischen Kaspijsk am Schwarzen Meer endeten mit dem Gewinn von zwei Medaillen für die Aktiven des Deutschen Ringer-Bundes
KASPIISK/GREIZ. Die Europameisterschaften der Ringer im russischen Kaspijsk am Schwarzen Meer endeten mit dem Gewinn von zwei Medaillen für die Aktiven des deutschen Ringer-Bundes.
Im griechisch-römischen Stil erkämpfte der Olympiadritte von Rio de Janeiro Denis Kudla die Bronzemedaille.
Die in den letzten Jahren sehr erfolgreichen Damen blieben ohne Medaille, scheiterten allerdings zweimal knapp im Kampf um Bronze.
Auch die Griechisch-Römisch-Spezialisten, die ohne ihr Aushängeschild, den zweifachen Weltmeister Frank Stäbler, antraten, unterlagen dreimal im Kampf um Platz drei. Die Freistilringer waren in den letzten Jahren nicht mit Erfolgen verwöhnt. Letztmalig 2007 stand ein deutscher Ringer in einem EM-Finale.
Nun, elf Jahre später war es wieder soweit. Der Berliner Martin Obst, der bei der Mannschaftsrunde für den RSV Rotation Greiz ringt, erkämpfte sich mit drei Siegen in der Gewichtsklasse 79 kg die Finalteilnahme. Gegner am Samstagabend war der Lokalmatador Akmed Gadzhimagomedov, der im Vorjahr bereits EM-Bronze errungen hatte. Damals schied Obst ohne Sieg aus. Beide Kontrahenten verband Einiges. Martin Obst gewann seinen ersten deutschen Meistertitel bei den Männern, als er bereits 24 Jahre alt war, in allen Jugendklassen und bei den Junioren war er medaillenlos geblieben.
Als viele Gleichaltrige schon ihre Ringerschuhe an den Nagel gehängt hatten, etablierte er sich als Stammkraft der Nationalmannschaft.
Mit 28 Jahren startete er erstmals bei einer Weltmeisterschaft.
Trotz guter Leistungen blieben die ganz großen internationalen Erfolge aus, z.B. bei der WM in Las Vegas (USA) und in noch stärkerem Maße bei der Olympiaqualifikation im serbischen Zrenjanin, als ihn eine 7:8 Niederlage den Weg nach Rio de Janeiro verbaute.
Auch der 28-jährige Gadzhimagomedov stand im Vorjahr zum ersten Mal bei einer Europameisterschaft auf der Matte. Für beide Sportler war das EM-Finale also der Höhepunkt ihrer Karriere.
Die Favoritenrolle nahm dabei der Vertreter der Gastgeber ein. Die russischen Freistilringer, deren Spitzenkönner fast alle aus dem Kaukasus stammen, können aus einem riesigen Reservoir von Talenten schöpfen und gewinnen regelmäßig die Länderwertung.
Drei Freistilfinals wurden am Samstagabend ausgetragen, fünfmal standen russische Ringer im Finale um Gold. Überraschenderweise unterlagen die favorisierten Russen in den Gewichtsklassen 57 und 65 kg.
Martin Obst war mental und physisch sehr gut in Form, war in allen Kämpfen konditionell klar überlegen gewesen. Sein Kampfplan sah einen starken Endspurt vor. Zu Anfang dominierte allerdings der Russe, der aus Dagestan stammt und von seinen Landsleuten in der ausverkauften Wettkampfstätte – 15 km von der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala entfernt – frenetisch angefeuert wurde.
Zweimal musste der viermalige deutsche Meister in den ersten 90 Sekunden nach Beinangriffen seines Gegners die Matte verlassen. Der Russe bestimmte zwar das Geschehen auf der Matte, besonders der Beinangriff, der zum 2:0 führte war eine ganz starke Leistung, da es vorher den Anschein hatte, Obst könne ihn am Kopf schnürend neutralisieren.
Umso mehr überraschte die zweite Verwarnung – diesmal wegen Fingerfassens, der Russe hatte allerdings ebenso gegriffen – die schon nach zwei Minuten das 3:0 brachte.
Als neutraler Beobachter der im Internet zu sehenden Kämpfe konnte man nicht umhinkommen festzustellen, dass die internationalen Kampfrichter nicht immer neutral leiteten.
Zwar schien die Vergabe der technischen Punkte regelgetreu erfolgt zu sein, mehrere passive gestaltete Kampfabschnitte der Gastgeber „vergaß“ man allerdings mehrfach nach der 30 Sekundenregel zu sanktionieren.
Die Bestrafung von Martin Obst mit zwei Verwarnungen nach nur 120 Sekunden kann nur verwundern, da Verwarnungen – in Kaspisk mit einem kleinen gelben Rechteck auf der Anzeigetafel sichtbar gemacht – bei der gesamten Veranstaltung kaum zur Anwendung kamen.
Nach der Pause fiel die Entscheidung, als Martin Obst zwar einen doppelten Beinangriff geschickt abwehren konnte, doch dann bei einer eigenen Angriffsaktion gekontert wurde und dass 0:5 einstecken musste.
Der Russe ließ jetzt merklich nach, Obst hatte das Pech, als er ihn von der Matte drängen wollte und nur noch Zentimeter fehlten, selbst ins Aus zu treten und dadurch den sechsten Punkt abzugeben.
Die letzten 90 Sekunden gehörten eindeutig dem Greizer Publikumsliebling, der nun, wie in der Greizer Ringerhalle üblich, auch im EM-Finale seinen Gegner vor sich hertrieb.
Der Dagestaner verzichtete auf jede Vorwärtsbewegung, suchte sein Heil in der Verteidigung. Man kann sich wohl den Hinweis sparen, dass nun eine 30 Sekunden-Strafe angebracht gewesen wäre, die natürlich nicht ausgesprochen wurde.
Der konditionsstärkere 31-Jährige konnte zwar durch ein Hinausdrängen des Gegners und eine Beherrschung am Boden auf 3:6 verkürzen, der Sieg ging allerdings an einem sichtlich erschöpften Ringer der Gastgeber.
Martin Obst errang mit dem zweiten Platz bei den Europameisterschaften nicht nur seinen bisher größten Erfolg, sondern war auch der erfolgreichste deutsche Athlet in Russland.
Seine drei Vorrundenkämpfe hatte er gegen den Moldawier Alexandru Bucur (7:0), den Esten Jevgeni Soltruk (10:0 mit technischer Überlegenheit) und dem späteren EM-Dritten Mihaly Nagy aus Ungarn (2:0) für sich entschieden, ohne einen Punkt abzugeben.
Es spricht für den Charakter dieses untadeligen Sportlers, der nie aufgegeben hat und unter ungleich schlechteren Trainingsbedingungen als die osteuropäischen Profis oder der Teil seiner Mannschaftskameraden, der bei der Bundeswehr angestellt ist, eine hervorragende sportliche Leistung bringt, dass er sich im ersten Telefonat vom Schwarzen Meer bei seinen Trainingspartnern in Berlin und Luckenwalde und den Sportfreunden in Greiz für die Unterstützung bedankte.
Beim Saisonauftakt der 1. Bundesliga am 8.September wird es in der dann vielleicht mit 1 000 Zuschauer gefüllten Halle einen rauschenden Empfang geben.
Erhard Schmelzer @06.05.2018