Seit der Umstrukturierung der Ringer-Bundesliga im Jahre 2017 dominiert der SV Wacker Burghausen die Liga. Sowohl bei den Finalsiegen gegen Köllerbach (2017), Heilbronn (2018) und wiederum Köllerbach (2019) konnte bereits der Vorkampf gewonnen werden. Bei der zweiten Meisterschaft 2018 konnten sich die Oberbayern allerdings beim Deutschen Ringer-Bund bedanken, der unverständlicherweise ihr Zuspätkommen zum Wiegen beim Halbfinale in Adelhausen nicht sanktionierte. Da im Vorjahr die Meisterschaftskämpfe auf Grund der Corona-Pandemie abgebrochen werden mussten, hat der SV Wacker nun die Chance zum vierten Mal in Folge den deutschen Mannschaftsmeistertitel zu erringen. Diesmal dürfte es aber deutlich schwerer werden. Im Vorkampf trennten sich die Oberbayern vom ASV Mainz 88 mit einem 12:12 Unentschieden. Vor erstmals wieder zugelassenen 1 400 Zuschauern entwickelte sich ein äußerst spannender Kampf. Als einziger ostdeutscher Sportler ging Erik Thiele (Burghausen/ 98 kg/Freistil) auf die Matte und besiegte seinen Nationalmannschaftskollegen Wladimir Remel nach Rückstand mit 4:2. Der Rückstand des Anhaltiners kam in Folge eines Videobeweises zu Stande, bei dem Mattenpräsident Antonio Silvestri ein Foul entdeckte. Der Württemberger Silvestri ist übrigens Hauptkampfrichter des internationalen Verbandes United World Wrestling. Ihm ist bei seiner internationalen Tätigkeit die Quadratur des Kreises gelungen: Die jahrzehntelang bei internationalen Meisterschaften immer wieder auftretenden Fehlurteile wurden fast vollständig ausgemerzt. Als Punktrichter amtierte übrigens der Zella-Mehliser Andre Schedler. Der Ex-Greizer auf Mainzer Seite, der gebürtige Pole Mateusz Wolny, der mit seinem Sieg in der Vorwoche die Mainzer ins Finale gebracht hatte, unterlag diesmal dem Vize-Europameister von 2019, Roland Schwarz aus Bindlach beim 1:1 Unentschieden durch die letzte Wertung des Bayern. Vor den letzten beiden Kämpfen führten die Mainzer überraschend 12:6. Die Burghausener kommen zwar noch zum Ausgleich, dabei ging es aber vor allem in der 75-kg – Freistilklasse sehr spannend zu. Burghausen hatte hier den gebürtigen Russen Izmail Muszukajev aufgeboten, der von Ungarn 2019 mit dem Ziel eingebürgert wurde, die bei ihnen bestehende Schwäche im freien Stil gegenüber den Griechisch-Römisch – Ringern mit einem olympischen Medaillengewinn zu beenden. Mit dem fünften Platz bei Olympia in Tokio 2021 fehlte nicht viel. Gegen den routinierten aber nicht zur europäischen Spitzenklasse gehörenden Polen Kamil Rybicki war der Neu-Ungar klarer Favorit und führte auch 90 Sekunden vor Schluss mit seinen schnellen Beinangriffen 11:2. Wie aber schon so oft brach Muszukajew in der letzten Minute konditionell ein und musste am Ende froh sein mit 11:8 gewonnen zu haben. Im letzten Kampf des Abends gab es den erwarteten schnellen Sieg des U 23-Weltmeisters Idris Ibaev (75 kg/gr) gegen einen Mainzer Nachwuchssportler.
Am Samstag um 19:30 Uhr kommt es nun zum spannenden Rückkampf in Burghausen. Der Kampf wird von Sportdeutschland als Livestream übertragen.

Ein Problem gab es beim Vorkampf in Mainz und dürfte es in ähnlicher Form auch beim Rückkampf am Samstag in Burghausen geben: Zahlreiche internationale Ringerverbände nutzen im Vorfeld der Ende März in Ungarn stattfindenden Europameisterschaften stattfindende Turniere zur Aufstellung ihrer Auswahlmannschaften. Darunter befinden sich auch Protagonisten der beiden im Finale stehenden Mannschaften. Trotz Zahlungen der Vereine an die nationalen Verbände und den europäischen Ringerverband besteht keine Abstellungspflicht. An diesem Wochenende findet das größte Ringerturnier der Türkei in beiden Stilarten statt. Die teilnehmenden Freistilringer kämpfen dabei am Samstag und Sonntag und wären somit beim Jahreshöhepunkt der Vereine in Burghausen nicht am Start. Interessant wer hier die besseren Verbindungen hat.

Erhard Schmelzer