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„Und wir haben doch gesiegt!“

Gerhard Mittenzwei

Der 89-jährige Gerhard Mittenzwei plaudert gern über seine Erlebnisse beim Ringkampf in Greiz.

Der RSV Rotation Greiz feiert am Samstag in seinem Domizil der Sporthalle in Greiz- Aubachtal sein 85. Vereinsjubiläum

GREIZ. Der RSV Rotation Greiz feiert am Samstag in seinem Domizil der Sporthalle in Greiz- Aubachtal sein 85. Vereinsjubiläum. Die Wurzeln des Ringkampfsportes in Greiz gehen aber viel weiter zurück. Schon am 14.September 1885 gewann C. H. Gerold vom Turnklub Greiz beim 11.Osterländischen Gauturnfest in Schmölln den Rahmenwettkampf im Ringen. Als erster Verein, der sich direkt der Schwerathletik widmete, wurde 1892 der „I. Greizer Athletenclub“ unter Leitung des Greizer Bäckermeisters Franz Golla, wohnhaft in der Unteren Silberstraße 2, gegründet. In den folgenden Jahrzehnten wechselten sich mehrere Kraftsportvereine in Greiz ab. Der Greizer Ringer Willi Neidhardt gewann als erster Ringer der näheren Umgebung zwei Medaillen bei den deutschen Meisterschaften 1921 (Silber) und 1923 (Bronze), die erste allerdings für Pausa, da er nach Streitigkeiten im Verein nach Pausa gewechselt war. Hermann Hüttner hieß der stärkste Ringer des Arbeiter-Kraftsportvereins. Bei der von der kommunistischen Sowjetunion – ursprünglich in Konkurrenz zu den Olympischen Spielen – ins Leben gerufenen Völkerspartakiade belegte Hüttner einen hervorragenden dritten Platz.

Ein neuer Verein wird 1931 gegründet

Zum Wendepunkt in der Geschichte des Greizer Ringkampfsportes wurde das Jahr 1931. Im alten Greizer Verein „Kraftsportliche Vereinigung“ kam es zu einem Aufstand der jungen Mitglieder gegen die damalige Vereinsführung. Am 15.Oktober 1931 wurde von acht etwa 20-jährigen Burschen eine neue Kraftsport-Abteilung gegründet und von nun an in der Jahnturnhalle trainiert. Ein kaum erwartbarer Aufschwung begann. Einer der Gründer, Rudolph Gebhardt, erinnerte sich: „1932 galt Greiz bereits über alle Gaugrenzen hinaus als Ringerhochburg.“ Nach Siegen über Pausa und Planitz wurde der Aufstieg in die Gauliga Sachsen erreicht, Dresden, Chemnitz, Leipzig, Gelenau und Thalheim hießen nun die Gegner. Später wechselte man in die Gauliga Thüringen mit Gegnern wie Leuna, Jena, Zella-Mehlis, Viernau und Gera. Außerdem wurden in Greiz viele Freundschaftskämpfe mit deutschen Spitzenvereinen durchgeführt und auch der Ländervergleich mit Finnland ausgetragen. Die Olympischen Spiele in Berlin entfachten in Deutschland eine große Begeisterung für den Sport.

Einer der Zeitzeugen, der 1926 in Mohlsdorf geborene Gerhard Mittenzwei, der noch heute keinen Heimkampf seines Greizer Vereins verpasst, erinnert sich: „Der Sport wurde immer populärer. Ich wohnte mit meinen Eltern in Irchwitz und ging zum Training in die dortige Turnhalle. Da wurde auf Kokosmatten gerungen, Hautabschürfungen waren normal. Ein richtiges Nachwuchstraining wie heute mit ausgebildeten Trainern gab es aber damals nicht. Wir versuchten, uns bei den Wettkämpfen in der Jahnturnhalle etwas abzuschauen. Ich ging auch zum Training in die Jahnturnhalle, dort waren mehr Gegner.“ Ein besonderes Erlebnis war für ihn der kurz nach den Olympischen Spielen 1936 in der Greizer Jahnturnhalle ausgetragene Kampf gegen Estland. „Das war für uns eine Sensation. Estland gehörte mit Schweden, Ungarn und Finnland zu den erfolgreichsten Ringernationen und kam nun mit dem Star der Spiele, dem Doppelolympiasieger im Schwergewicht Kristjan Palusalu in die Jahnturnhalle. Er kämpfte gegen den Olympiadritten Kurt Hornfischer, der aus Gera stammte, und bevor er sich dem deutschen Spitzenverein SC Nürnberg 04 anschloss auch einige Zeit für Greiz kämpfte.“ Der mörderische zweite Weltkrieg machte bald darauf der sportlichen Entwicklung auch in Greiz ein Ende.

Neustart nach dem 2.Weltkrieg führte zu zwei DDR-Meistertiteln

Die BSG Rotation Greiz wurde 1952 zum zweiten Mal DDR-Mannschaftsmeister.

Mit dem Macher Rudolph (Rudi) Gebhardt an der Spitze begann man sofort nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Wiederaufbau des Ringkampfsportes in Greiz. Ein rasanter Aufstieg war der Lohn. Die nach Krieg und Entbehrungen nach Ablenkung lechzende Bevölkerung kam in Strömen. Bis zu 1000 Zuschauer sollen damals in der Jahnturnhalle – vor dem Umbau – Platz gefunden haben. Gerungen wurde auf einer 6×6 Meter großen Matte auf einem Podest. Die Mannschaft eilte von Sieg zu Sieg. Bis Mai 1949 wurden 40 Mannschaftskämpfe ausgetragen, 35 wurden gewonnen, zwei Niederlagen gab es gegen Zella-Mehlis. Rudi Gebhardt hatte in der DDR die Oberliga ins Leben gerufen. Greiz brach die 20 Jahre anhaltende Vormachtstellung der Zella-Mehliser und wurde mit einem 5:3 Sieg
vor 3000 Zuschauern in der Sportschule Sieger der Südstaffel. Mit drei Siegen in den Finalkämpfen wurde Greiz mit der Aufstellung Jugold, Rapp, Lohr, Becker, Heisig, Hoffmann, Semper und Lässig erster DDR-Mannschaftsmeister 1950. Dieser Erfolg wurde zwei Jahre später wiederholt, 1953 gab es Silber. Gerhard Mittenzwei, zu dieser Zeit in leitenden Positionen bei Konsum und HO; erinnert sich an einen wichtigen Kampf in Gelenau: „In Gelenau ging es um die Meisterschaft. Wir mussten unbedingt gewinnen. Die Greizer Anhänger sind mit fünf Bussen nach Gelenau gefahren. In der Greizer Mannschaft stand unser guter Bekannter Hardi Jugold. Meine Schwester wohnte im Westen und hat uns immer „Fresspakete“ geschickt. Damit haben wir auch Jugold unterstützt, der dann auch seinen entscheidenden Kampf gewonnen hat. Nach dem Greizer Sieg war der Jubel groß. Als wir zu den Bussen kamen, hatten die Greizer Schlachtenbummler ein riesiges Plakat über die gesamte Länge eines Busses gespannt: ‚Und wir haben doch gesiegt!’“ Von 1949 bis 1956 wurden 28 Medaillen bei DDR- bzw. gesamtdeutschen Meisterschaften der Männer erkämpft. Allein Kurt Hoffmann wurde neunmal DDR-Meister.

Nach dem Absturz ging es wieder nach oben

Aber die Zeit der Erfolge ging langsam aber sicher zu Ende. Die attraktiven Kämpfe um die gesamtdeutsche Meisterschaft, die in Greiz zu Volksfesten wurden, waren Vergangenheit. Nach einem Kampfabbruch in Suhl gegen den neugegründeten Sportklub Suhl folgte eine Sperre, nach der nur noch 1956 hinter den staatlich geförderten Sportklubs Halle und Suhl/Zella-Mehlis die Bronzemedaille erkämpft werden konnte. Funktionäre und Sportler verließen gezwungenermaßen oder aus freien Stücken die DDR. Der Tiefpunkt war erreicht, als Greiz 1977 keine Mannschaft für die Punktkämpfe stellen konnte.

Mit der Sportpolitik in der DDR änderten sich auch die Aufgaben für die BSG-Mannschaften, deren Hauptaufgabe nun die Ausbildung junger Sportler für das Leistungssportsystem des Landes wurde. Und auch hier gelang einem Greizer der große Wurf. Der 1957 geborene Uwe Neupert, mit 16 Jahren ins Leistungszentrum nach Jena delegiert, wurde mit 19 Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen erfolgreichster deutscher Ringer aller Zeiten.

Aber auch mit dem Mannschaftsringen ging es wieder bergauf. 1983 gelang der lange vergeblich in Angriff genommene Aufstieg in die DDR-Liga im freien Ringkampf, der zweithöchsten Leistungsklasse des BSG-Bereiches. Einige Wochen vor der politischen Wende in Deutschland 1989 gelang nach 30 Jahren wieder der Aufstieg in die höchste Leistungsklasse.

Superstimmung seit der Wende

Wie nach dem zweiten Weltkrieg war nun auch die Wendezeit Anfang der „Neunziger“ die Zeit des Aufbruchs in Greiz. Eine kleine aber aktive Leitung führte die Mannschaft weiter nach oben. 1990 wurde Greiz in der Südstaffel der obersten Liga als beste BSG Dritter und wurde in die 2.Bundesliga eingeteilt. Nach drei zweiten Plätzen wurde 1994 und 1995 der Staffelsieg erreicht. Auch nach der Umstrukturierung der Ligen, nun waren auch bayerische Mannschaften der Gegner, wurden fast immer vordere Plätze belegt. Nach einer weiteren Umgestaltung des Wettkampfsystems kämpften die Greizer ab 2000 sogar in der 1.Bundesliga.

2001: Halbfinale der deutschen Mannschaftsmeisterschaft

Nach einem 6.Platz zum Auftakt gelang 2001 mit dem Vordringen in die Endrunde der deutschen Mannschaftsmeisterschaft der größte Erfolg des Vereins. Im Viertelfinale wurde der SV Siegfried Hallbergmoos in der Sportschule Kurt Rödel vor einer imponierenden Zuschauerkulisse bezwungen. Im Halbfinale setzte der spätere Meister KSV Aalen das Stoppzeichen. Gerhard Mittenzwei, nun schon lange Rentner, war zu dieser Zeit mit im Vereinsvorstand und wie viele Greizer Ringkampfanhänger auch bei den Auswärtsfahrten im Bus dabei: „Unsere Mannschaft mit Victor Peikov und Martin Kittner war großartig. Es war meine schönste Zeit beim Ringkampf.“ Nach einem guten sechsten Platz in der Staffel Nord folgte allerdings im Jahre 2003 während der Saison – hauptsächlich aus finanziellen Gründen – der Rückzug. Nach zwei Jahren in der Regionalliga war 2006 die 2.Bundesliga wieder erreicht. Seitdem landete man mit nur einer Ausnahme immer in der oberen Hälfte der Tabelle, im Jahre 2013 und 2015 konnte der Staffelsieg gefeiert werden.

Momentan liegt das Greizer Zweitbundesligateam auf dem dritten Tabellenplatz und will am Sonnabend zum Jubiläumskampf mit einem Sieg gegen Aue noch näher an die führenden Vereine herankommen. Der 89-jährige Gerhard Mittenzwei wird wieder auf seinem Stammplatz in der ersten Reihe sitzen.

Erhard Schmelzer @12.10.2016
Bilder aus der Geschicht des RSV Rotation Greiz

Historie des Greizer Ringersportvereins Rotation

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