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Ringerfilm Foxcatcher lockt Fans ins Greizer Kino

Ringerfilm Foxcatcher lockt Fans ins Greizer Kino

Zu den Besuchern des Ringerfilms „Foxcatcher“ im Greizer Kino gehörten auch Vereinsmitglieder des RSV Rotation Greiz, in der Mitte Trainer und Vizepräsident Tino Hempel.

Der Film zeigt die Wahrheit – aber nicht die ganze
Zum Film „Foxcatcher“, dessen Preview am Mittwoch im Greizer Kino UT99 stattfand

GREIZ. Wie viele Ringer und Ringkampfanhänger aus Greiz besuchte ich am Mittwoch die erste Aufführung von „Foxcatcher“ im Greizer Kino. Die Urteile über den Film waren auch bei den Insidern unterschiedlich und reichten von Zustimmung bis Ablehnung. Die Ringer hätten sich wohl mehr Ringkampfszenen gewünscht. Diese hätten aber die Schauspieler überfordert. Für die war es schon schwer genug, mit freiem Oberkörper einen Olympiasieger im Ringen zu spielen. Allerdings hat man auch gesehen, dass die beiden Schauspieler, die die Schultz-Brüder darstellten, für die Ringkampfszenen intensiv trainiert haben müssen. Uwe Neupert, der die Vorpremiere in Nordrhein-Westfalen sah, und die Schultz-Brüder sehr gut kannte, war begeistert, wie lebensecht die beiden Ringer dargestellt wurden. „Dave Schultz kam 1984 allein ohne Betreuer und Trainer zum Turnier nach Tbilissi. Das war das stärkste Ringerturnier der Welt, härter wie Weltmeisterschaften und Olympische Spiele, weil hier allein 10 bis 15 sowjetische Ringer in jeder Gewichtsklasse um die Chance kämpften, zu internationalen Meisterschaften fahren zu dürfen. Dave hat gewonnen, ganz allein auf sich gestellt. Eine unglaubliche Leistung! Wir haben ihn unterstützt, so gut wie es ging. Offiziell durfte das natürlich keiner mitbekommen.“
Steve Carell, der sonst meist in komischen Rollen auftritt, hatte es dabei auf jeden Fall noch schwerer. Er musste den exzentrischen Millionen-Erben John E. du Pont darstellen. Das wäre ihm gut gelungen, lautete das Urteil der Kritiker und einiger Zuschauer in Greiz. Carrell wurde für seine Rolle für den Oscar nominiert. Insgesamt wurde der Film sogar fünfmal nominiert. Wenn man du Pont aber erlebt hat, muss man sagen: Es war alles viel schlimmer.
Im Juni 1992 fanden erstmals die Weltmeisterschaften der Veteranen im Ringen statt. Austragungsort war die kolumbianische Stadt Cali, damals mit Medellin Zentrum des südamerikanischen Drogenhandels. Der offiziellen Einladung des internationalen Ringerverbandes FILA lag ein Schreiben eines John E. du Pont bei, der als Ehrenpräsident des Wettkampfes fungieren sollte. Über den Deutschen Ringer-Bund war dann noch zu erfahren, dass dieser Mann aus den USA die gesamte Veranstaltung bezahlen würde. Unter den elf deutschen Ringern, die sich auf das Abenteuer Cali einließen, war auch ich. Aus der ehemaligen DDR waren noch der zweimalige Europameister Horst Stottmeister und sein ehemaliger Trainer Adolf Franke, beide aus Leipzig kommend dabei. Von den Ringern aus dem Westen war Adolf Seger aus Freiburg, mehrmaliger Europa- und Weltmeister sowie zweimaliger olympischer Medaillengewinner der bekannteste.
Am ersten Wettkampftag waren alle Sportler sehr nervös. Keiner wusste so recht, was auf sie zukommen würde. Beim Wiegen am Vortag gab es schon einige Ungereimtheiten. Wir waren gerade beim Warmmachen als Adolf Seger zu mir kam und sagte: „Der Schultz ist da und will was. Ich verstehe ihn aber nicht. Du kannst doch englisch, kannst du mal mitkommen und hören, was er will?“

Ein Außenseiter unter den Ringern

David Schultz, der im Leben wie auch im Film oft Dave genannt wurde, hatte folgendes Anliegen. Er wollte wissen, wer in der Altersklasse D, in der Gewichtsklasse 68 kg ringen würde. Dort wolle ein sehr wichtiger Mann starten, der aber eigentlich gar kein Ringer sei. Herr John du Pont unterstütze die amerikanischen Ringer seit Jahren. Er, David Schultz, wolle deshalb den deutschen Gegner von Herrn du Pont bitten, etwas vorsichtig mit diesem umzugehen. Der Schultersieg müsse ja nicht unbedingt beim ersten Angriff erfolgen.
Gegner von du Pont war Edmund Seger, der ältere Bruder von Adolf. Edmund Seger startete 1960 bei den Olympischen Spielen von Rom und war, noch immer rank und schlank, in bestechender Form. Er war einer der sechs ringenden Brüder der Familie Seger, acht Jahre älter als Adolf hatte er dem Jüngeren vieles beigebracht. Der Familienrat hat dann schnell entschieden: Du Pont wird ohne Verletzung und ohne Blamage den Wettkampf beenden. So kam es dann auch. Edmund Seger ging sehr vorsichtig mit seinem Gegner um. Das war auch nötig. Der Amerikaner machte nun wirklich nicht den gesündesten Eindruck, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken. Krankhaft hager trat er in einem schwarzen Ganzkörperanzug an, wie er damals in den USA bei Nachwuchsturnieren üblich war. Trotzdem war sein sicher krankheitsbedingtes Untergewicht, das durch seine große Hakennase noch verstärkt wurde, jedermann sichtbar.
„Mit dem würde ich trotz des vielen Geldes nicht tauschen!“ lautete das Zitat des Tages.
In Kolumbien war auch bekannt, wer da kämpfte. Die Fotografen drängten sich bei diesem Kampf am Mattenrand. Am Abend nach dem ersten Wettkampftag fuhren wir mit dem Bus in unsere ca. 30 km entfernte Unterkunft. Im Bus saßen auch einige amerikanische Ringer. Wieder musste ich übersetzen. Sie suchten Edmund Seger, den sie zu seinem Sieg gratulieren wollten. Du Pont gebe zwar viel Geld für das Ringen aus, viele Freunde hätte er aber nicht in den USA.

Du Pont betreut Weltmeister Valentin Jordanov

Daumen hoch – Uwe Neupert (l.) und Erhard Schmelzer.

Im nächsten Jahr fand die Veteranen-WM in Toronto in Kanada statt. Wieder kam die Einladung von du Pont. Und die drei Ossis waren wieder dabei. Diesmal startete du Pont nicht, aber er hatte sich wieder etwas Überraschendes ausgedacht. Nach den Olympischen Spielen 1988 hatte der für den Sportclub Motor Jena kämpfende Greizer Uwe Neupert, der immer Kontakt zu seinem alten Verein hielt, erzählt, dass in Seoul bei der amerikanischen Mannschaft ein Millionär präsent gewesen sei. Im Film wurde ja auch gezeigt, dass du Pont sich vertraglich zusichern ließ, Mark Schultz, der dort als Weltmeister von 1987 nur Sechster wurde, bei den Kämpfen betreuen zu dürfen. Das hat nicht ganz die Bedeutung, die der Laie annehmen könnte. Der Mann, der auf dem Trainerhocker sitzt, darf sich laut Reglement eigentlich nicht akustisch äußern. Von außerhalb des Innenraumes ist das schon möglich. Es gab deshalb schon Trainer, die sich außerhalb der Pause in die erste Zuschauerreihe gesetzt haben und von dort lautstark zu sekundierten. Außerdem kann ein Ringer während der Pause von zwei Personen betreut werden, so dass eine Fehlbesetzung durchaus zu verschmerzen ist.
In Toronto fand die WM der Veteranen zusammen mit der der Aktiven statt. In einigen osteuropäischen Ländern ging es damals drunter und drüber. Der Kommunismus war zusammengebrochen. Die Verteilungskämpfe wüteten. Der in diesen Länder fast überall jahrzehntelang großzügig geförderte Sport kämpfte ums Überleben. Den Ringern ging es nicht anders. In dieser Zeit war jede finanzielle Hilfe Gold wert.

Einer der besten Ringer der Welt, der Bulgare Walentin Jordanov (52 kg), war zwar achtmal Europameister gewesen – 1985 in Leipzig hatte er im Halbfinale einen 0:10 Rückstand gegen den Jenaer Hartmut Reich aufgeholt – und dreimal Weltmeister geworden, Olympiasieger war er aber noch nie. Die Spiele von 1980 und 1988 hatte er verpasst, 1984 boykottierten die Ostblockstaaten und 1992 war ein Koreaner stärker. Nun sah er seine letzte Chance für Olympia 1996 in Atlanta und nahm das Angebot für das Foxcatcher-Team von du Pont an, mit dem er sich unter optimalen Bedingungen auf Olympia vorbereiten konnte. Damals gehörten zahlreiche osteuropäische und vor allem Sportler aus der zerfallenden Sowjetunion zu den Gästen auf du Ponts Farm.
Vom ersten bis zum siegreichen Finalkampf von Jordanov saß du Pont auf dem Hocker in der Ecke des Bulgaren. Er hatte sichtlich Mühe, die Stufen, die zum Podium führten, auf dem gekämpft wurde zu bewältigen. In den Kampfpausen erhob er sich und wedelte mit dem Handtuch, während der bulgarische Trainer Jordanows Arme lockerte und auf ihn einredete.

David Schultz wollte noch einmal zu Olympia

David Schultz wagte 1993 ein Comeback. Die Olympischen Spiele von 1988 und 1992 hatte er verpasst. Für die USA startete der dunkelhäutige Kenneth Monday, der in Seoul Gold und in Barcelona Silber gewann. Nun wollte Schultz noch einmal mit dem Ziel Olympia in Atlanta angreifen. Von dieser Gewichtsklasse habe ich allerdings kaum etwas gesehen, Schultz wurde Zweiter. Wahrscheinlich kletterte du Pont wieder die Treppe hinauf.
Bei der WM 1994 ging die Silbermedaille an den für Greiz kämpfenden Moldawier Victor Peicov. Schultz wurde Siebenter. Bei der WM der Veteranen begleitete er seinen Herrn und Meister du Pont nach Ostia bei Rom. David Schultz war jetzt schon 35 Jahre alt und hätte nun auch bei den Veteranen starten können. Er beschränkte sich aber darauf, in der Aufwärmhalle am Seil zu hangeln. Er trug jetzt einen Bart und sah so aus wie im Film. Ich glaube ein Mädchen, wahrscheinlich seine Tochter, war mit in der Halle.
Ein Jahr später fand die Generalprobe für die Olympischen Spiele in Atlanta statt. Der deutsche Meister Alexander Leipold wurde Zweiter, Schultz kam auf Platz fünf. Victor Peicov landete im geschlagenen Feld. Die Veteranen kämpften in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Bei der Eröffnung der Wettkämpfe und beim Bankett ließ sich du Pont kurz sehen. Er sah noch kränker aus als früher und wirkte apathisch. Valentin Jordanov war ständig an seiner Seite.
Die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta sollte David Schultz nicht mehr erleben. Er bereitete sich auf der Foxcatcher-Farm auf die Qualifikation vor. Als er am 26.Januar 1996 aus seinem Auto stieg und auf du Pont zuging, tötete ihn dieser mit drei Schüssen aus einer Pistole.

Anders als im Film gezeigt, dürfte der Grund für den Mord nicht ein Dreiecksverhältnis zwischen so unterschiedlichen Charakteren gewesen sein. Mark Schultz hatte die Farm schon vor Jahren verlassen. John du Pont war meiner Ansicht nach einfach krank. Er litt an Wahnvorstellungen und Verfolgungswahn. Als Ursache dafür dürfte sein Drogenkonsum in Frage kommen. Schon lange ist bekannt, dass manche Drogen Bewusstseinsveränderungen und Wahnvorstellungen hervorrufen. Einmal fragte du Pont einen Ringer, ob er an einer Wand einen Geist sehe. „Als ich das nächste mal an dieser Stelle vorbeikam, war ein großes Stück aus der Mauer herausgebrochen“ sagte der Sportler.

Der Multimillionär John du Pont wurde wegen Mordes zu 20 bis 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Gefängnis ging sein Traum doch noch in Erfüllung. Ein Sportler von der Foxcatcher Farm wurde Olympiasieger. Valentin Jordanov beendete seine Karriere mit 36 Jahren als olympischer Goldmedaillengewinner in Atlanta.
Der internationale Ringerverband hatte einen Vertrag mit du Pont und erhielt noch finanzielle Mittel für mehrere Weltmeisterschaften der Veteranen. Die Weltmeisterschaften der Veteranen gibt es bis heute. Jetzt muss der internationale Verband Eigenmittel einsetzen.

Valentin Jordanow stand im Testament

Im Dezember 2010 starb John du Pont im Alter von 72 Jahren im Gefängnis. Im Testament stand auch der Name von Valentin Jordanow. Ein naher Verwandter von ihm, der in Leipzig studierte und zu dieser Zeit in der Staffel Nord der 2.Bundesliga rang, bezifferte die Erbschaft auf 230 Millionen Dollar. Schon vorher hatte Nancy Schultz, die Witwe von David, für sich und ihre zwei Kinder 35 Millionen Dollar erhalten.

Erhard Schmelzer @05.Februar 2015

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