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Erste Turnierteilnahme nach 454 Tagen

Greizer Team

Greizer Team

Nach genau 454 Tagen coronabedingter Wettkampfruhe – die beiden Auswärtskämpfe der zweiten Mannschaft im Oktober 2020 nicht mit gerechnet – machte sich der Vereinsbus des RSV Rotation Greiz wieder einmal mit Sportlern auf die Reise. Diesmal ging es nach Frankfurt an der Oder, in eine Stadt, die seit der Wende mehr als 25 000 Einwohner verloren hat. Bekannt ist die Stadt nicht nur durch ihre Universität, sondern auch durch ihre erfolgreichen Sportler. Zu Beginn der 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde von der Sportführung der DDR hier der Armeesportclub Vorwärts Frankfurt mit den Sportarten Handball, Boxen, Judo, Gewichtheben, Radsport, Turnen, Handball und Sportschießen angesiedelt. Nach den Olympischen Spielen 1972 in München wurden auch die vorher in Rostock stationierten Ringer an die Oder abkommandiert. Auch die Fußballer von Vorwärts Berlin wurden – allerdings als selbstständiger Verein – nach Frankfurt verlegt.
Nach der Wende wurde der bis dahin von staatlicher Seite mit ungeheuren Summen alimentierte Riesenverein aufgesplittert. Die Ringer formierten sich zum Ring- und Sportverein Hansa 90 Frankfurt/Oder. Zwar gibt es heute entschieden weniger Leistungssportler in Frankfurt, doch viele Sportstätten erstrahlen im neuen Glanz. Der Olympiastützpunkt und die Sportschule bieten hervorragende Trainingsbedingungen für zahlreiche Sportarten. Das bezieht sich nicht nur auf die baulichen Bedingungen sondern auch auf Manpower. Allein für die drei Stilarten beim Ringen (Freistil und Griechisch-Römisch bei den Männern sowie Freistil bei den Frauen) sind 15 hauptamtliche Trainer in Frankfurt/Oder angestellt.

Seitdem im Oktober 2020 die Mannschaftskämpfe im Ringen abgebrochen wurden, bestand in Deutschland nur noch für Kadersportler des deutschen Ringer-Bundes die Möglichkeit des Mattentrainings. Bei der kurzfristig vom brandenburgischen Ringerverband angesetzten zweitägigen Trainingsmaßnahme trafen sich 55 Freistilringer der Altersklassen Junioren und Jugend A zum gemeinsamen Training und zu Trainingswettkämpfen. Die meisten Teilnehmer kamen aus brandenburgischen und Berliner Vereinen, aber auch der Landesverband Sachsen – Anhalt war zahlenmäßig stark vertreten. Die weiteste Anreise hatten Sportler aus Hessen. Der RSV Rotation Greiz reiste mit fünf leistungsorientierten Sportlern an, die es, praktisch mehr als ein halbes Jahr ohne Mattentraining, vor allem sehr schwer hatten mit den fitten Kadersportlern der Stützpunkte Frankfurt, Luckenwalde und Halle mitzuhalten. Der mögliche sechste Platz im Bus für einen weiteren Greizer Sportler blieb leider unbesetzt.
Es war ein Sprung ins kalte Wasser, der sich jedoch auszahlte. In drei Monaten beginnen bereits die Mannschaftskämpfe, jede wettkampfnahe Einheit ist da Gold wert. Mit anderen Sportlern ist sie noch wertvoller. Die Veranstalter hatten sich mit der Organisation alle Mühe gegeben, die Logistik im Kampf um die sechs ausgelobten Pokale jedoch völlig unterschätzt. Die routinierten Trainer der teilnehmenden Vereine mussten also kurzfristig die Aufgaben der Kampfrichter und Listenführer übernehmen. Diese ungewohnten Funktionen wurden zwar zur allgemeinen Zufriedenheit ausgeführt, die eigenen Sportler gerieten dabei allerdings öfters aus dem Focus. Ein Fazit kann allerdings doch gezogen werden: Der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt. Zwar reiste kein Pokal mit nach Greiz, aber die Galamatov-Brüder Rasul und Ibrahim scheiterten nur knapp. Rasul (Junioren /67 kg) vergab seine Siegeschance bereits im ersten Kampf gegen den Jugendmeister von 2018 Oleg Bartel. Im Bestreben seine 8:0 Führung gegen den ehemaligen Sportschüler aus Halle in einen technischen Überlegenheitssieg zu verwandeln, vergaß er seinen konditionellen Zustand und wurde trotz 12:10 Führung entscheidend bezwungen. Seine anderen vier Widersacher ließ er vor allem durch seine Stärken im Bodenkampf deutlich hinter sich.
Ibrahim Galamatov (Junioren/60 kg) unterlag dem Hallenser Sportschüler Milan Altenburg, der auch schon deutscher Vizemeister war, nach Punkten, bezwang aber seine weiteren Gegner Yannik Rudelt (Frankfurt) und Yalcin Malik.
Pasal Hessel (Jugend A/48 kg) trug als leichtester Teilnehmer zwei Vergleichskämpfe mit dem Berliner Julian Weckweth aus und trainierte die übrige Zeit in der Nachbarhalle in der Trainingsgruppe des ehemaligen Greizer Bundesligaringers Brian Tewes im griechisch-römischen Stil.
Philipp Schöndorfer (Jugend A/ 67 kg) traf als jüngster, leichtester und damit unerfahrenster Sportler auf fünf Gegner von denen vorerst wohl nur der Berliner Luftfahrt-Ringer Felix Liedke bei den deutschen Meisterschaften antreten darf. Interessant dabei ist, dass am Bundesstützpunkt Frankfurt auch Sportler eingeschult werden können, die noch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, diese aber in absehbarer Zeit erlangen könnten. Solch ein Fall ist Machamad Umarov (Berlin-Wedding) gegen dessen Beinangriffe Philipp Schöndorfer noch keine Einstellung fand. Gegen Liedke wehrte er zwar alle Beinangriffe erfolgreich ab, wurde dann aber mit einem Wurf überrascht. Der fünfzehnjährige Greizer hat sich durch individuelles Training in der Coronazeit stark entwickelt. Trotz seiner Jugend kann er auch in dieser Gewichtsklasse schon ein Kandidat für die zweite Mannschaft werden.
Der Quereinsteiger Jonas Dietsch (Junioren/76 kg) bezwang zum Auftakt den Luckenwalder Justin Beckert mit technischer Überlegenheit. Gegen den vor einem halben Jahr eingebürgerten Tscherkessen Marat Kardanov aus dem hessischen Wolfhagen, der beim Kaderturnier des Deutschen Ringer-Bundes die EM-Fahrkarte mit dem zweiten Platz knapp verpasste, war er zwar chancenlos, geriet aber nie in eine gefährliche Lage. Gegen den 21-jährigen Cottbuser Whalid Tarquil unterlag er zwar ebenfalls, seine Punktgewinne gegen einen starken Gegner demonstrierten aber gewachsenes Leistungsvermögen.

Erhard Schmelzer

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