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„Der Greizer Ringerverein kann sich sehen lassen“

Trainingslager

Fast 50 Aktive trainierten drei Tage in Greiz

Die Ungewissheit bei vielen Sportarten ist nach fast zwei Jahren Wettkampfruhe riesengroß. Da macht der Ringkampfsport keinen Unterschied zu anderen Möglichkeiten der wettkampfmäßigen sportlichen Betätigung. Die letzten regulären Mannchaftskämpfe im Ringen fanden im Dezember 2019 statt. Die Endrundenkämpfe der Bundesliga, die in dieser Saison nach 20 Jahren wieder vom RSV Rotation Greiz erreichbar scheinen, zogen sich noch bis Januar 2020 hin. Danach begann der Lockdown, der Training und Wettkämpfe zum Erliegen brachte. Die Durchführung von Europa- und Weltmeisterschaften und Olympischer Spiele war zwar möglich, die letzten deutschen Titelkämpfe der Männer werden aber beim Saisonbeginn am 11.September schon 28 Monate zurückliegen. Die Frage: Wie ist der sportliche Stand unsere Sportler? – ist so für viele Vereine vor Saisonbeginn kaum schlüssig zu beantworten.
Die Schere öffnet sich weiter
Hinzu kommt das altbekannte Problem der Chancenungleichheit. Schon immer war es so, dass leistungsfähigere Sportler bessere Trainingsbedingungen hatten. Als nationaler Auswahlkader hatte selbst unter bundesrepublikanischen Bedingungen ein kleiner Kreis bei der Sportkompanie der Bundeswehr oder bei der Polizei einiger Bundesländer professionelle oder semiprofessionelle Bedingungen. (Was teilweise daraus gemacht wurde, steht auf einem anderen Blatt.) Nun unter Coronabedingungen öffnete sich die Schere weiter. Die Kadersportler konnten weiter trainieren, zu internationalen Lehrgängen und teilweise auch zu Wettkämpfen fahren, während den „normalen“ Vereinssportlern der Zugang zu den Sportstätten monatelang verwehrt wurde. Im Herbst 2020 mussten die gerade in Ostdeutschland mit viel Herzblut organisierten Mannschaftskämpfe der unteren Ligen kurz nach dem Start abgesagt werden. Als weitere Faktoren der „Diversifizierung“ kamen die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländer hinzu.
Unter diesen Bedingungen eine kampfstarke Mannschaft für die Ringer-Bundesliga auf die Beine zu stellen gleicht der Quadratur des Kreises. Der RSV Rotation Greiz hat sich trotzdem entschlossen einen weiteren Anlauf in der höchsten deutschen Leistungsklasse zu nehmen.

Fast 50 Aktive trainierten drei Tage in Greiz


Als Höhepunkt der gezielten Vorbereitung fand am letzten Wochenende ein dreitägiges Trainingslager in der Greizer Wettkampfhalle statt, zu dem auch andere Vereine eingeladen wurden. Die Anspannung aber auch die Freude über eine in allen Punkten erfolgreiche Veranstaltung stand am Schluss der Trainingsmaßnahme am Sonntagmittag dem Greizer Bundesligatrainer und Protagonisten der Veranstaltung Tino Hempel ins Gesicht geschrieben. Fast 50 Sportler nicht nur aus Greiz, sondern auch aus Pausa, Plauen, Apolda, Regensburg und von der Sportschule Jena – unter der Leitung der Trainer Hartmut Reich und Kay Taubert – erweiterten das Teilnehmerfeld. Unter den Sportlern waren zahlreiche Medaillengewinner nationaler Meisterschaften. Höhepunkt der schweißtreibenden Veranstaltung war die dritte Trainingseinheit am Sonnabend, bei der Trainingswettkämpfe auf den drei Matten auf dem Programm standen.

Die Neulinge waren zufrieden


Im Mittelpunkt des Interesses standen dabei die Neuzugänge des RSV, die noch nicht in der Perle des Vogtlandes weilten: der aus Moldawien stammende ehemalige Europameister Ghenadi Tulbea und der Türke Ahmet Bilici. Tulbea, der in der Nähe des Bodensees lebt und einen seiner Schützlinge mitbrachte, der am nächste Wochenende zu den Favoriten bei den deutschen A-Jugendmeisterschaften gehört, hatte die längste Anreise. Bilici kam mit seinem alten und neuen Vereinskollegen Ergün Aydin aus Hallbergmoos und hatte seinen noch immer selbst auf der Matte aktiven Vorsitzenden Michael Prill mitgebracht. Aydin, in den Vorjahren für den deutschen Mannschaftsmeister Burghausen aktiv, hatte schon öfter gegen Greiz gerungen. „Die Kämpfe gegen Obst und Sartakov waren immer spannend und meist bis in die letzten Sekunden offen. Die Greizer Zuschauer habe ich immer fair erlebt.“ Auch in Hallbergmoos konnte erst ab Mai wieder trainiert werden. Bilici gehörte aber hinsichtlich des Trainings zu den „Privilegierten“, da er an zwei Trainingslagern der deutschen Nationalmannschaft teilnehmen konnte. Auch der Hallbergmooser Ringerchef Prill steht mit seiner Mannschaft in der starken obersten bayerischen Liga vor einer schweren Saison, die einige Überraschungen bringen kann: „Wir wollen in die im nächsten Jahr wieder eingeführte 2. Bundesliga aufsteigen. Wie stark die Gegnerschaft sein wird, ist allerdings ganz schwer einzuschätzen.“
Der württembergische Routinier Christian Fetzer war mit seiner Gattin Maike angereist. Ihre Urlaubsbräune kündete noch vom Urlaub in den Tropen auf der Halbinsel Yukatan in Mexiko. Auch der ehemaligen deutsche Meister und Vizeeuropameister hat – da schon einige Jahre aus dem nationalen Kader ausgeschieden – „noch nie so wenig Mattentraining absolviert wie im letzten Jahr.“ Doch der clevere Organisator dürfte auch das in den Griff bekommen. „Da hilft nur Eigeninitiative. Zu Hause habe ich den Dachboden als Fitness-Raum ausgebaut, in Mexiko haben wir uns extra ein Hotel mit dem nötigen sportlichen Equipment ausgesucht und regelmäßig trainiert.“
Neben dem Training gab es auch genügend Gelegenheiten über Gott und die Welt und natürlich auch über den Ringkampfsport zu philosophieren. So weit lagen die Meinungen dabei meist nicht auseinander. Die Greizer Neuzugänge erwiesen sich als bodenständige, freundliche und aufgeschlossene Partner, Integrationsprobleme wird es nicht geben. Stellvertretend für die Neu-Greizer stellte der dreimalige deutsche Vizemeister Ergün Aydin fest: „Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt. Greiz ist ein sehr sympathischer Verein, der sich sehen lassen kann. Alles war hervorragend organisiert. Die vielen Helfer haben uns bestens versorgt. Die Verpflegung war Spitze.“ Auch Tino Hempel konnte ein positives Fazit ziehen: „Alle Sportler haben hervorragend mitgezogen. Auf unsere Neuzugänge können wir stolz sein. Unsere Helferschar hat sich selbst übertroffen. Einige einheimische Sportler haben allerdings noch einen Trainingsrückstand, den sie noch aufholen müssen.“
Zusammenfassend kann man sagen: Die Vorfreude auf eine spannende Ringkampfsaison mit drei Mannschaften ist in Greiz weiter gestiegen.

Erhard Schmelzer

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