70 Jahre RSV Rotation Greizv.l.n.r.: Semper, Höppner, Hoffmann, Gebhardt, Neuparth, Schneider, 0. Martens, Ditscherlein, K. Martens

Rudi Gebhardt muss fliehen

Auch die besten Voraussetzungen und Möglichkeiten nützen nichts, wenn nicht ein engagierter und ideenreicher Vorstand existiert, der die Fäden in der Hand hält. Greiz war in der glücklichen Lage, einen Rudi Gebhardt zu besitzen, der mit seiner ganzen Person hinter der Sache stand. Bereits 1931 gehörte der am 5. Februar 1911 geborene Greizer zu den rebellischen Jugendlichen, die einen eigenen Verein in der Jahnturnhalle gegründet hatten. Jetzt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges leitete er mit anderen verdienstvollen Funktionären den Wiederaufbau des Ringkampfsportes in Greiz. Der gelernte Dreher kam nach 1945 zur Kriminalpolizei nach Greiz, wurde aber bald entlassen.

Er gehörte zu den Ringern, die den Ringkampf von der Pieke auf gelernt hatten und in der Lage waren, alle nötigen Funktionen auszufüllen. Er organisierte und initiierte den Neuaufbau 1945, war, Trainer, Schiedsrichter, Chefmanager, Mannschaftsleiter und Pressewart. Dort, wo er gebraucht wurde, war er zur Stelle. Als in Zella-Mehlis ein Aktiver ausfiel und die Mannschaft umgestellt werden musste, zog er auch noch einmal das Ringertrikot an. Wurde eine DDR-Meisterschaft in Greiz ausgetragen, war er Leiter der Veranstaltung. Auf seine Initiative hin wurde die Ringer-Oberliga der DDR gegründet. Als internationaler Kampfrichter vertrat er die DDR bei Turnieren im Ausland.
Wie so viele Thüringer musste Rudi Gebhardt seine Heimat verlassen und sein Glück mittellos im Westen versuchen. Aber was muss in einem Mann vorgegangen sein, der nicht nur Freunde und Verwandte zurücklassen musste, sondern auch seine geliebte Greizer Ringermannschaft, für die er Jahrzehnte unermüdlich tätig gewesen ist.

70 Jahre RSV Rotation Greiz
Landesjugendmannschaften 1952

Das Sportsystem im Osten verändert sich

Einem anderen verdienten Funktionär erging es ähnlich, dem langjährigen Sportleiter Walter Liesenfeld. Wie Gebhardt bestimmte Liesenfeld die Richtung im Greizer Ringkampfsport mit. Nach dem Ausscheiden von Gebhardt lagen die Hoffnungen auf Liesenfeld. Sein „sportliches Ende“ hatte wie man damals sagte „sportpolitische Gründe“.
Ab dem 20. September 1952 startete man dann unter dem Namen BSG Rotation Greiz, deren Hauptträger die Papierfabrik wurde.
Was war geschehen? Die Sportvereinigung Fortschritt war bei der Zentralisierung des Sportes in der DDR zu kurz gekommen und suchte noch einen geeigneten Standort. Greiz, die „Perle des Vogtlandes“, mit guten Ringern, Turnern und Fußballern konnte die Lösung sein. Liesenfeld nahm mit den Fortschrittlern Verhandlungen auf, die aber von der BSG-Leitung hintertrieben wurden und nicht zum Erfolg führten. Die SV Fortschritt ließ sich schließlich in Weißenfels nieder.
Sportleiter Liesenfeld bekam bald die Quittung für seine Aktivitäten. Die zentrale Leitung der Sportvereinigung Rotation lehnte seine Wiederwahl als Abteilungsleiter der Ringer in Greiz ab. Ihm wurde verwehrt, sich der Wiederwahl zu stellen. So einfach war die „sozialistische“ Demokratie.

Wieder war ein unersetzbarer Funktionär aus politischen Gründen kaltgestellt. Der Aderlass ging aber noch weiter. Viele Sportler gingen in den Westen. Schon damals erhielten die besten von ihnen lukrative Angebote. Und in Greiz gab es nun einmal viele gute Ringer. Aber auch Funktionäre wie Kurt Ditscherlein, Vereinsmitgründer 1931, zog es in den Westen. Die Politisierung des Ringkampfes in Greiz war sicher ein Grund dafür.
Ab 1956 setzten dann die „Delegierungen“ ein. Die besten Sportler wurden zuerst zum Sportklub Rotation Leipzig, der bald in den SC Leipzig umgewandelt wurde, geschickt, später war der Sportclub Motor Jena Ziel der jugendlichen Ringkämpfer. Zirka 40 Nachwuchskämpfer gingen dadurch dem Greizer Ringkampf verloren, die meisten rangen nie wieder für ihre Heimatstadt.

Die nächsten Jahre seien nur kurz skizziert. 1956: Die verstärkte Greizer Mannschaft besiegt die dänischen Gäste von HIF Husum mit 5:3 Punkten. 1957 bestritt man zwei internationale Freundschaftsvergleiche. Der gegen Sparta Malmö (Schweden) ging mit 3:5 verloren, gegen Tatran Teplice (CSSR) wurde mit 6:2 gewonnen. Letzterer fand vor 3.000 Zuschauern als Freiluftveranstaltung beim Parkfest in Aubachtal statt.

Ein herber Verlust für die Greizer war die Abmeldung von Bruno Finzel, der bis zum September 1957 den Greizern die Treue hielt und erst dann dem Drängen des Verbandes nachgab. Er startete für den Rest seiner Laufbahn für seine Heimatstadt Leipzig.
In der Oberliga Gruppe A wurde nur der vorletzte Platz belegt. Die große Zeit der Greizer Ringer näherte sich vorerst ihrem Ende.

Durch die Reduzierung der Oberliga im Jahr 1958 auf eine Gruppe mit sechs Mannschaften mussten im Mai Auf- und Abstiegskämpfe um den Klassenerhalt der Oberliga durchgeführt werden. Die Wettkämpfe wurden in Dessau ausgetragen, und Greiz ging gegen Traktor Viernau und Chemie Bitterfeld ungeschlagen als Sieger hervor. Die Zugehörigkeit zur Oberliga konnte damit noch einmal gesichert werden. Auch internationale Vergleiche standen wieder auf dem Programm. Allerdings konnte in beiden Vergleichen, die in Berga und Greiz ausgetragen wurden, gegen eine Auswahl des Bezirkes Wroclaw (Polen) kein Sieg errungen werden. Fliegengewichtler Bernd Weder wird in den Olympiakader für Rom 1960 aufgenommen.